Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burnout (German Edition)
Trotzdem muss man nicht gleich tibetischer Mönch werden und in roten Gewändern umherwandeln, um vom Meditieren zu profitieren. Eben das ist es, was auch Stefan Schmidt seinen Patienten vermitteln will: Achtsamkeitsübungen helfen nicht nur Meditationsprofis. Sie bereichern jeden – ob gesund oder krank –, der sich auf sie einlässt. So lassen sich auch einfach Gelassenheit und gute Stimmung durch Achtsamkeitsübungen trainieren.
Wer trotzdem nicht meditieren mag – etwa weil ihm davor graut, auch nur fünf Minuten still sitzen zu müssen –, der kann mit Achtsamkeitsübungen im Alltag anfangen. Der Trick ist, die »Dinge zu bewohnen«, statt sie lästig zu finden und fernhalten zu wollen. Das kann das Leiden durch Schmerzenebenso mindern wie das durch die drohende Steuererklärung. Auch dabei kann man Ruhe und Entspannung finden. Man muss die vielen Rechnungen einfach wertneutral betrachten, die farbenfrohen Quittungen sortieren, die Zahlen in die graugrünen Bögen des Finanzamts eintragen. Und bei all dem sollte man möglichst bewusst atmen. Bewusstes Atmen nämlich ist eine der Grundübungen der Achtsamkeit, die man jederzeit trainieren kann. Zum Beispiel während man gerade ein Buch über Resilienz in der Hand hält.
Es sind nicht nur die unangenehmen Aufgaben, bei denen Achtsamkeit überraschend positive Effekte hat. Wer auf dem Weg zur Arbeit statt des Zeitdrucks den Wind spürt, den Vögeln lauscht oder staunend die vielen Menschen mit ihren verschiedenen Gesichtern und Kleidungsstilen betrachtet, der hat schon mehr vom Leben. Und statt sich über den Rowdy aufzuregen, der einem gerade die Vorfahrt genommen hat, kann man auch einfach mit Interesse feststellen, dass in einem gerade eine Wut aufsteigt. Und man kann sich fragen, ob diese Wut sinnvoll ist oder ob sie nur negative Gefühle zurücklässt. Womöglich ist der andere gar kein Egoist; vielleicht ist er einfach nur unaufmerksam gewesen, weil er gerade Sorgen hat. Ein solcher Blick macht den Alltag entspannter und das Leben angenehmer.
»Achtsamkeit hilft, besser mit den Widrigkeiten des Lebens umgehen zu lernen«, fasst Stefan Schmidt zusammen. »Dabei ist es gleichgültig, um welche Art von Widrigkeit es im Einzelfall geht. Ein unangenehmer Chef stellt im Sinne der Achtsamkeitslehre eine ganz ähnliche Herausforderung dar wie eine Krebserkrankung.« Zentral seien die Fragen: Wie gehe ich damit um? Reagiere ich auf eine Art, die mich noch mehr leiden lässt? Wie kann ich es im positiven Sinne bewältigen?
Grundsätzlich kann das jeder Mensch jeden Tag üben. Aber ohne professionelle Hilfe oder die Unterstützung einer erfahrenen Gruppe ist es schwierig, meinen die Fachleute. »Mit Hilfe von Meditationstechniken lernt man, die Aufmerksamkeit stabil zu halten«, sagt Schmidt. »Sonst gleitet man allzu leicht ab.«
Achtsam ist jeder Mensch sehr oft in seinem Leben. BeimAchtsamkeitstraining geht es darum, diese Fähigkeit gezielt zu entwickeln, um sie im Alltag nutzen zu können. So nehmen wir ein beeindruckendes Panorama in einem fremden Land oft tief berührt und mit allen Sinnen wahr. Oder wir genießen es aus vollem Herzen, wenn sich ein Kind vertrauensvoll in unsere Arme kuschelt. »Diese Qualität des Erlebens kann man auch bei weniger starken Reizen erreichen«, sagt Anderssen-Reuster.
Aber bei alldem ist es natürlich völlig okay, auch mal unachtsam zu sein: Es gilt doch, das Leben zu nehmen, wie es eben ist.
Anleitung zum Abschalten
Die Technik hat das Leben leichter gemacht. Erheblich schneller als früher kommen wir an das Kinoprogramm, Telefonnummern oder Bargeld heran. Informationen über Gesprächspartner und Details über wichtige Produkte sind im Nu im Internet zu finden. Und statt einen umständlichen und formvollendeten Geschäftsbrief aufzusetzen, tippen wir ein paar freundliche, ruhig auch orthographisch unkorrekte Sätze in eine E-Mail. Und doch klagen Menschen heute über eine größere Arbeitsbelastung als früher. Offenbar nutzen wir die Technik nicht, um uns mehr Freiraum und Freizeit zu verschaffen. Die Technik hilft uns nur dabei, mehr Arbeit zu erledigen. Und dafür wenden wir insgesamt sogar mehr Zeit auf als früher.
Moderne Arbeitnehmer neigen dazu, sich selbst auszubeuten. Mit Hilfe von World Wide Web und Smartphones lässt sich die Arbeit schließlich jederzeit und überall erledigen. Das ist manchmal tatsächlich eine Erleichterung, die auch als solche empfunden wird: Wenn man bis Feierabend im Büro nicht
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