Rette mein Herz
Fellmantel war dunkel von Blut und ein metallischer Geruch füllte die Luft in seiner Nähe.
Marie, die schon als Kind jedes verletzte und kranke Tier nach Hause angeschleppt hatte, vergaß ihre Furcht und sank an seiner Seite zu Boden. Er registrierte sie erst jetzt und schreckte hoch. Erstaunlich flink schnellte seine Hand hervor und fasste sie fest an der Kehle. Ein gehetzter Ausdruck lag auf seinem Gesicht.
„Bitte“, keuchte sie.
Er lockerte den Griff und sein Arm fiel schlaff herab. Es war offensichtlich, dass er viel zu schwach war, ihr etwas anzutun. Wenn er jedoch bei Kräften gewesen wäre, hätte er sie sicher mühelos erwürgen können. Er sah äußerst kräftig und zäh aus, wenngleich sein Gesicht jetzt in Agonie des Schmerzes verklärt war. Seine Augen glitzerten glasig im fahlen Licht des Mondes, das durch die Giebelluke hereinfiel.
Vorsichtig drückte sie gegen seinen Oberkörper, damit er sich wieder zurücklegte, dann schob sie sein blutiges Hemd hoch, um die Wunde sehen zu können, die sich darunter verbergen mochte. Es war eine hässliche Fleischwunde an seiner linken Seite. Sie hoffte, dass keine lebenswichtigen Organe verletzt waren. Es war ohnehin fraglich, ob sie noch etwas für ihn tun konnte. Er war schon sehr geschwächt und es war wirklich eine Menge Blut, was seine Kleidung durchtränkt hatte. Sie musste schnellstens etwas zum Verbinden beschaffen.
„Ich werde schnell etwas besorgen, um dich zu versorgen. Hab keine Angst, ich verrate dich nicht. Ich will dir nur helfen.“
Der Mann starrte sie mit leerem Blick an und sie glaubte schon, es wäre zu spät und er wäre schon tot, doch dann bewegten sich seine Lippen.
„D a n k e“, flüsterte er schwach.
Sie konnte das Wort mehr erraten, als wirklich verstehen.
Sie nickte und verschwand eilig.
Es war nicht einfach gewesen, im Haus alles Nötige zu beschaffen, ohne jemanden zu wecken. Erst hatte sie eine Schüssel mit warmem Wasser geholt und dann Tücher zum Reinigen und Verbinden der Wunde und eine warme Decke. Als sie die Wunde vorsichtig säuberte, war der Fremde schon ohne Bewusstsein. Es wäre besser, ihn ins Haus zu schaffen, doch sie wusste nicht, was Bhreac mit ihm machen würde. Immerhin war es ein Wilder und sie war sich nicht sicher, ob man den armen Mann nicht töten würde, wenn man von seiner Anwesenheit hier erfuhr.
Nachdem die Wunde gereinigt war, konnte sie die Verletzung besser untersuchen. Sie schien vo, eie schin einem Messer oder etwas Ähnlichem zu stammen und sah hässlich aus, doch immerhin schien es weniger zu bluten. Sie wickelte einen festen Verband um seine Mitte, wobei sie ihn hin und her bewegen musste, was sie bald vor Anstrengung keuchen ließ. Er war sehr muskulös gebaut, schmaler als ihr Bruder, eher die raubkatzenhafte Statur von Lucio, Ellys spanischem Ehemann. Kein Gramm Fett zu viel.
Als Marie mit dem Verband fertig war, setzte sie sich schwer atmend neben den Fremden. Was sollte sie jetzt tun? Er brauchte etwas zu trinken. Sie bezweifelte, dass er in der Lage war, etwas zu essen. Doch ein neues Hemd wäre ebenso von Nöten. Sein blutiges Hemd hatte sie zerrissen, um ihn säubern und verbinden zu können.
„In Ordnung. Denk nach Marie. Ein Hemd. Wo krieg ich jetzt ein Hemd her?“
Sie würde erst einmal die Schüssel wieder wegbringen und die blutigen Lappen ins Feuer schmeißen, um die Spuren zu verwischen. Dann würde sie nach einem Hemd suchen und ihm etwas zu trinken besorgen.
*
Als sie mit einem alten Hemd ihres Bruders und einem Becher Tee mit einem kleinen Schuss Branntwein zu ihrem Patienten zurückkam, war er wieder bei Bewusstsein, wenngleich er sehr schwach aussah. Trotzdem blieb sie in einiger Entfernung abwartend stehen. Er war halb sitzend, halb liegend gegen die Wand gelehnt. Als sie ihn verlassen hatte, hatte er flach gelegen. Er musste sich selbst aufgesetzt haben.
Verstand er ihre Sprache? Er hatte Danke gesagt, aber das bedeutete nicht, dass er alles verstand.
„Ich … ich habe ein frisches Hemd und Tee“, sagte sie zaghaft.
Er starrte sie an und ihr wurde ein wenig mulmig. Verletzt oder nicht. Er war ein Wilder und sie hatte Schlimmes von ihnen gehört. Sie taten ihren Feinden Abscheuliches an. Was, wenn er sie zu töten versuchte? Sie glaubte nicht, dass er in seiner Verfassung in der Lage wäre, sie zu schänden, doch töten konnte er sie wahrscheinlich. Sie hatte seine Kraft gespürt, als sich seine Hand um ihren Hals gelegt hatte. Wenn er sich
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