Rette mich vor dir
anders ist als alles, was ich mir mein Leben lang anhören musste, und ich wünschte, ich könnte mir diese Worte in die Tasche stecken und sie ab und an berühren, um mich daran zu erinnern, dass es sie gibt.
»Juliette.«
Mir stockt der Atem.
Es gelingt mir kaum, aufzuschauen und irgendetwas klar zu erkennen, außer der Vollkommenheit dieses Augenblicks, aber nicht einmal das ist wichtig, denn Adam lächelt. Er lächelt wie jemand, dessen Lippen von Sternen gesäumt sind, und er schaut mich an, schaut mich an, als sei ich sein Ein und Alles, und ich möchte am liebsten weinen.
»Schließ die Augen«, flüstert er.
Und ich vertraue ihm.
Deshalb gehorche ich.
Er küsst das eine Lid, dann das andere. Kinn, Nase, Stirn. Meine Wangen. Beide Schläfen.
Jeden
Zentimeter
an meinem Hals
und plötzlich
weicht er so abrupt zurück, dass er mit dem Kopf an die raue Wand stößt. Ich erstarre vor Schreck. »Was ist passiert?«, flüstere ich.
Adam versucht sich zu beherrschen, aber er atmet hastig, schaut sich hektisch um und stottert: »Tu– Tut mir leid, da war – ich meine, ich dachte –« Er wendet den Blick ab. Räuspert sich. »Ich – ich dachte, ich hätte etwas gehört. Ich dachte, jemand würde reinkommen.«
Natürlich.
Adam darf gar nicht hier sein.
In Omega Point sind Frauen und Männer in unterschiedlichen Trakten untergebracht. Castle behauptet, das werde so gehandhabt, damit die Frauen sich wohl und sicher fühlen – vor allem, da man sich die Badezimmer teilen muss –, und ich finde das eigentlich gut. Es ist schon angenehm, nicht gemeinsam mit alten Männern duschen zu müssen. Aber diese Regelung macht es für Adam und mich schwer, uns zu treffen – und wenn es uns dann selten genug gelingt, haben wir dauernd Angst, ertappt zu werden.
Adam lehnt sich an die Wand und zuckt zusammen. Ich berühre seinen Kopf.
Er duckt sich weg.
Ich erstarre.
»Alles … okay mit dir?«
»Ja, schon.« Er seufzt. »Es ist nur – ich meine –« Er schüttelt den Kopf. »Keine Ahnung.« Er senkt den Kopf. »Irgendwas stimmt nicht mit mir.«
»Hey.« Ich lege meine Fingerspitzen an seinen Bauch. Sein Hemd ist warm von seiner Körperhitze, und ich muss dem Impuls widerstehen, mein Gesicht in dem Stoff zu vergraben. »Kein Problem«, versichere ich ihm. »Du warst doch nur vorsichtig.«
Er lächelt, und das Lächeln sieht traurig und seltsam aus. »Das meine ich nicht.«
Ich starre ihn an.
Er öffnet den Mund. Schließt ihn. Öffnet ihn wieder. »Es – ich meine, das –« Er zeigt auf sich, dann auf mich.
Spricht nicht weiter. Und sieht mich nicht an.
»Ich verstehe nicht –«
»Ich werde wahnsinnig «, flüstert er.
Ich sehe ihn an. Sehe ihn an und blinzle und stolpere über Wörter, die ich nicht sehen, nicht finden, nicht aussprechen kann.
Adam schüttelt den Kopf.
Berührt seine Haare. Er sieht verlegen aus, und ich versuche verzweifelt zu verstehen, weshalb. Adam wird nicht verlegen. Er ist niemals verlegen.
Seine Stimme ist rau, als er endlich spricht. »Ich habe so lange darauf gewartet, mit dir zusammen zu sein«, sagt er. »Ich wollte das – ich habe so lange auf dich gewartet, und jetzt, nach alldem –«
»Adam, was willst du –«
»Ich kann nicht schlafen . Ich kann nicht schlafen; und ich denke die ganze Zeit an dich – und ich kann nicht –« Er verstummt. Presst die Handballen an die Stirn. Kneift die Augen zusammen. Dreht sich zur Wand, damit ich sein Gesicht nicht sehe. »Du solltest wissen – du musst wissen«, sagt er, und seine Stimme klingt so brüchig, als raubten die Worte ihm alle Kraft, »dass ich mir niemals irgendetwas so sehr gewünscht habe wie dich. Nichts. Weil das – das – ich meine, Gott, ich will dich, Juliette, ich will – ich will –«
Seine Stimme versiegt, als er sich zu mir umdreht, und seine Augen flackern zu hell, sein Gesicht ist erhitzt. Sein Blick streift über meinen Körper, lange genug, um den Brennstoff in meinen Adern zu entzünden.
Ich stehe in Flammen.
Ich will etwas sagen, etwas, das wahr und unbeirrt und beruhigend ist. Ich will ihm sagen, dass ich ihn verstehe, dass ich ebenso empfinde, dass auch ich ihn will, aber die Situation ist so angespannt und verwirrend und bedrängend, dass es mir vorkommt, als träume ich. Als hätte ich alle Buchstaben bis auf Q und Z vergessen und wüsste nicht, ob ich die anderen irgendwo nachlesen kann.
Adam zwingt sich, den Blick von mir zu lösen. Schluckt schwer, blickt zu Boden. Fährt sich
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