Rette mich vor dir
Stimme klingt so kehlig, als wolle er mich mit warmem Honig überschütten, und er sagt: »Es war nie ein Geheimnis. Ich habe nie versucht, das vor dir zu verbergen. Ich habe niemals so getan, als wäre ich mit weniger zufrieden.«
»Du – du hast gesagt, du wolltest mit mir b-befreundet sein –«
»Ja«, erwidert er, schluckt. »Das habe ich gesagt. Und das will ich auch.« Ich spüre den leichten Luftzug, als er nickt. »Ich will der Freund sein, in den du bis über beide Ohren verliebt bist. Der Freund, den du in deine Arme und in dein Bett und in die geheime Welt in deinem Kopf nimmst. So ein Freund will ich für dich sein«, sagt er. »Einer, der sich deine Worte einprägt und die Form deiner Lippen, wenn du diese Worte aussprichst. Ich will jede Rundung, jede Sommersprosse, jedes Beben deines Körpers kennen, Juliette –«
»Nein«, keuche ich. »Sag – d-das – nicht –«
Ich weiß nicht, was ich tun werde, wenn er weiterspricht, ich weiß nicht, was ich tun werde, und ich traue mir nicht über den Weg
»Ich will wissen, wo ich dich berühren soll«, sagt er. »Wie ich dich berühren soll. Ich will wissen, wie ich dich davon überzeugen kann, ein Lächeln ganz allein für mich zu finden.« Ich spüre, wie seine Brust sich hebt und senkt, auf und ab auf und ab und »Ja«, sagt er. »Ich will dein Freund sein«, sagt er. »Dein bester Freund auf der ganzen Welt.«
Ich kann nicht denken
Ich kann nicht atmen
»Ich will so vieles«, flüstert er. »Ich will deinen Geist. Deine Kraft. Ich will kostbar sein für dich.« Seine Finger streifen den Saum meines T-Shirts, und er sagt: »Ich will das nach oben ziehen.« Er zupft am Bund der Hose und sagt: »Ich will das nach unten ziehen.« Er legt die Finger an meine Seiten und sagt: »Ich will fühlen, wie deine Haut Feuer fängt. Ich will dein rasendes Herz an meinem Herz spüren, und ich will wissen, dass es rast, weil du mich willst. Weil du willst«, raunt er, »dass ich niemals aufhöre. Ich will jede Sekunde. Jeden Millimeter deiner Haut. Das alles will ich.«
Ich falle tot um.
»Juliette.«
Ich verstehe nicht, weshalb ich ihn noch sprechen höre, da ich doch tot bin, längst tot bin, zig Tode gestorben bin
Er schluckt schwer, und seine Stimme ist nur ein heiseres Flüstern, als er sagt: »Ich bin – ich bin so unendlich verliebt in dich –«
Ich bin im Boden verwurzelt, drehe mich, während ich stillstehe, mein Blut brodelt, und meine Knochen zittern, und ich atme, als sei ich das erste menschliche Wesen, das fliegen gelernt hat, als atme ich Sauerstoff, den es nur in den Wolken gibt, und ich weiß nicht, wie ich meinen Körper davon abhalten soll, auf ihn zu reagieren, auf seine Worte, auf das verzweifelte Verlangen in seiner Stimme.
Er berührt meine Wange.
So behutsam, als wisse er nicht, ob ich real sei, als fürchte er, wenn er mir zu nahe käme, o schau, sie ist weg, ganz plötzlich verschwunden. 4 Finger streichen langsam über meine Wange, so langsam, bevor sie hinter meinen Kopf gleiten, sich in die Kuhle über meinem Nacken schmiegen. Sein Daumen streichelt meine Wangenknochen.
Er scheint zu warten, ob ich ihm helfen, ihm Anweisungen geben oder protestieren werde, als warte er darauf, dass ich schreien oder weinen oder weglaufen würde, doch ich tue nichts. Ich könnte das wohl gar nicht, denn ich will nicht. Ich will hierbleiben. Genau hier. Ich will mich dem Bann des Augenblicks ergeben.
Er rückt noch ein wenig näher. Seine freie Hand legt sich an meine andere Wange.
Er hält mich, als bestünde ich aus Federn.
Er hält mich, als könne er nicht glauben, diesen Vogel gefangen zu haben, der stets wegfliegen wollte. Seine Hände zittern ein klein wenig, und ich spüre die Bewegung an meiner Haut. Verschwunden ist der Junge mit den Pistolen und den Leichen im Keller. Diese Hände haben niemals eine Waffe gehalten. Diese Hände haben niemals den Tod berührt. Diese Hände sind perfekt und liebevoll und zärtlich.
Er neigt sich zu mir, vorsichtig, atmet flach, und Herzen trommeln zwischen uns, und er ist mir so nah, so nah, und ich spüre meine Beine nicht mehr. Ich spüre meine Finger nicht mehr und die Kälte und die Leere und Dunkelheit. Ich spüre nur noch ihn, überall, er füllt alles aus, und er flüstert
»Bitte.«
Er sagt: »Bitte schieß jetzt nicht auf mich.«
Und er küsst mich.
Seine Lippen sind weicher als alles, was ich jemals gespürt habe, weich wie erste Schneeflocken, Zuckerwatte, wie Schmelzen und
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