Rette mich vor dir
ich vergesse, und dass es einmal etwas gab, das ich scheinbar schon vergessen habe. Es kann nichts mehr geben, das wichtiger wäre als seine nackte Haut, sein perfekter Körper.
Und er übersteht meine Berührung unversehrt.
Er hat die Ellbogen neben meinem Kopf aufgestützt, um nicht zu schwer zu sein für mich, und ist mir jetzt so nah, dass ich sein Gesicht erkennen kann, und ich lächle ihn an, weil ich sein Lächeln sehe, doch er lächelt, als sei er versteinert, atmet, als habe er vergessen, dass man das tun muss, schaut auf mich herunter, als wisse er nicht, ob er sich so zeigen kann. Als habe er selbst nicht geahnt, wie verletzlich er sein kann.
Doch da ist er.
Und hier bin ich.
Warners Stirn ruht auf meiner, seine Haut glüht, seine Nasenspitze berührt meine. Er stützt sich auf, streichelt meine Wange mit seiner freien Hand, schmiegt sie so behutsam an mein Gesicht, als sei es gläsern, und ich merke, dass ich noch immer die Luft anhalte und mich nicht erinnern kann, wann ich zuletzt geatmet habe.
Sein Blick wandert zu meinen Lippen und wieder zurück. So viel Ausdruck, Hunger, Gefühl liegt darin. Ich hätte niemals geglaubt, dass Warner so umfassend, so menschlich, so real sein kann. Doch ich sehe es. Auf seinen Zügen, so unverhüllt, als habe er es sich gerade aus der Brust gerissen.
Sein Herz. Er schenkt mir sein Herz.
Und flüstert ein einziges Wort. Drängend.
»Juliette.«
Ich schließe die Augen.
Er sagt: »Bitte nenn mich nicht mehr Warner.«
Ich öffne die Augen wieder.
»Ich will, dass du mich kennenlernst«, sagt er, atemlos, und streicht mir eine Haarsträhne aus der Stirn. »Mit dir will ich nicht Warner sein«, sagt er. »Das soll sich jetzt ändern. Ich möchte, dass du mich Aaron nennst.«
Und ich will erwidern, ja, natürlich, das verstehe ich vollkommen, aber eine Stille entsteht, die mich verwirrt; dieser Augenblick, dieser Name sprechen zu anderen Teilen meines Gehirns, und da lauert etwas, zieht und zerrt an meiner Haut, versucht mich zu erinnern, will mir etwas mitteilen, und
es schlägt mich ins Gesicht
es versetzt mir einen Kinnhaken
es wirft mich in einen Ozean.
»Adam.«
Meine Knochen sind mit Eis angefüllt. Mein gesamter Körper will sich erbrechen. Ich winde mich unter Warner hervor, suche Abstand, stürze beinahe, und dieses Gefühl, dieses überwältigende Gefühl von absolutem Selbsthass steckt mir im Bauch wie ein Messer, eine große scharfe Klinge, so tödlich, dass ich mich kaum mehr auf den Beinen halten kann, und ich schlinge die Arme um mich selbst, unterdrücke das Weinen und sage nein, nein, nein, das darf nicht sein, das kann nicht sein, ich liebe Adam, mein Herz ist bei Adam, ich kann ihm das nicht antun
und Warner sieht aus, als hätte ich erneut auf ihn geschossen, als hätte ich ihm die Kugel mit bloßen Händen ins Herz gedrückt, und er steht auf, doch er zittert von Kopf bis Fuß und sieht mich an, als wolle er etwas sagen, aber er scheint nicht sprechen zu können.
»Es – t-tut mir leid«, stammle ich. »Es tut mir so leid – das sollte nie passieren – ich habe nicht nachgedacht –«
Doch er hört mir nicht zu.
Er schüttelt unentwegt den Kopf und schaut auf seine Hände, als sollten sie ihm versichern, dass er sich das alles einbilde, und er flüstert: »Was geschieht mit mir? Träume ich?«
Und mir ist so elend, ich bin so konfus, denn ich will ihn, ich will ihn, und ich will auch Adam, und ich will zu viel, und ich habe mich noch nie mehr wie ein Monster gefühlt als heute.
Der Schmerz auf seinem Gesicht ist unverhüllt, und er bringt mich um.
Ich kann es spüren. Ich fühle, wie er mich umbringt.
Ich versuche so angestrengt wegzuschauen, zu vergessen, aus meinem Gedächtnis zu löschen, was geschehen ist, doch ich kann nur denken, dass das Leben wie eine zerbrochene Schaukel ist, ein ungeborenes Kind, eine Handvoll Knochen. Mögliche Wege, auf denen wir richtige und falsche Schritte in eine Zukunft machen, für die es keine Garantie gibt, und ich, ich gehe immer nur in die Irre. All meine Schritte sind falsch, immer falsch. Ich bin der wandelnde Irrtum.
Weil das niemals hätte passieren dürfen.
Das war ein schlimmer Fehler.
»Du entscheidest dich für ihn?«, sagt Warner, und er scheint kaum zu atmen, sieht aus, als könne er jeden Moment umfallen. »Ist das jetzt wirklich gerade passiert? Dass du Kent mir vorziehst? Ich glaube nämlich, dass ich nicht verstehe, was gerade passiert ist, und du musst jetzt etwas
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