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Rette mich vor dir

Rette mich vor dir

Titel: Rette mich vor dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tahereh H. Mafi
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sagen, du musst mir erklären, was zum Teufel grade mit mir geschieht –«
    »Nein«, keuche ich, »nein, ich entscheide mich nicht – ich – ich –«
    Doch genau das tue ich. Und ich weiß nicht einmal, wie es dazu kam.
    »Warum?«, fragt er. »Weil du dich mit ihm sicherer fühlst? Weil du ihm etwas schuldig bist? Du machst einen gewaltigen Fehler«, sagt er, jetzt lauter. »Du hast Angst. Du willst dich nicht für den schwierigeren Weg entscheiden und läufst weg vor mir.«
    »Vielleicht – will ich g-gar nicht mit dir zusammen sein.«
    »Ich weiß, dass du das willst!«, explodiert er.
    »Du irrst dich.«
    O mein Gott, was sage ich da, ich weiß nicht einmal, wo ich diese Wörter finde, wo sie herkommen, von welchem Baum ich sie gepflückt habe. Sie wachsen irgendwie in meinem Mund heran, und dann beiße ich auf ein Adverb oder ein Pronomen, und manchmal sind die Wörter bitter, manchmal auch süß, aber jetzt gerade schmeckt alles nach Liebe und Reue und Lügen Lügen Lügen haben kurze Beine.
    Warner starrt mich an.
    »Im Ernst?« Er versucht sich zu beherrschen und tritt näher, viel näher, und nun sehe ich sein Gesicht noch deutlicher, den Zorn, den Schmerz, die Ungläubigkeit, in seine Züge geritzt, und ich bin mir gar nicht sicher, ob ich noch auf meinen Beinen stehen sollte. Ich glaube, sie können mich nicht mehr tragen.
    »J-ja.« Ich pflücke ein weiteres Wort von dem Lügenbaum in meinem Mund, Lügen Lügen Lügen auf meinen Lippen.
    »Ich irre mich also.« Er sagt diese Worte ganz leise. »Ich bilde mir nur ein, dass du mich willst. Dass du mit mir zusammen sein willst.« Seine Finger streichen über meine Schultern, meine Arme; seine Hände gleiten an meinen Seiten hinunter, ganz langsam, und ich presse die Lippen zusammen, damit die Wahrheit nicht aus meinem Mund fällt, aber ich scheitere scheitere scheitere, denn ich kenne nur noch die eine Wahrheit, dass ich nämlich gleich wahnsinnig werde.
    »Sag mir etwas, Süße.« Seine Lippen flüstern an meiner Wange. »Bin ich auch blind?«
    Ich werde sterben, fraglos.
    »Du wirst mich nicht zum Narren halten!« Er rückt von mir ab. »Ich werde dir nicht erlauben, dich über meine Gefühle lustig zu machen! Dass du auf mich geschossen hast, ringt mir noch eine gewisse Achtung ab, aber – das – das –, was du gerade getan hast –« Seine Stimme versagt. Er streicht sich übers Gesicht, durch die Haare, sieht aus, als wolle er schreien, etwas zerbrechen, als sei er kurz davor, wirklich und wahrhaftig den Verstand zu verlieren. Als er schließlich spricht, bringt er nur ein heiseres Raunen zustande. »Das ist das Spiel eines feigen Menschen«, sagt er. »Ich hatte dich für besser gehalten.«
    »Ich bin nicht feige –«
    »Dann sei aufrichtig mit dir selbst!«, versetzt er. »Und mit mir! Sag mir die Wahrheit!«
    Mein Kopf rollt auf dem Boden umher, dreht sich wie ein Kreisel, rundherum und herum und herum, ich kann ihm nicht Einhalt gebieten. Ich kann die Welt nicht anhalten, und meine Verwirrung vermengt sich mit Schuld, und daraus wird Wut, und plötzlich steigt sie blubbernd rasend tobend an die Oberfläche, und ich schaue Warner an. Balle die Fäuste. »Die Wahrheit«, sage ich, »ist, dass ich nie weiß, was ich von dir halten soll! Deine Taten, dein Benehmen – du bist nie verlässlich! Du behandelst mich grauenvoll, und dann bist du nett zu mir und sagst mir, dass du mich liebst, und dann fügst du den Menschen Schaden zu, die mir am meisten am Herzen liegen! Und du bist ein Lügner«, fauche ich und weiche zurück. »Du behauptest, dass andere Menschen dich nicht kümmern und auch nicht, was du ihnen antust, aber ich glaube dir nicht. Ich denke, dass du dich versteckst. Unter all der Zerstörung versteckst du dein wahres Selbst, und ich glaube, dass du besser bist als das Leben, das du für dich gewählt hast. Ich denke, du könntest anders sein. Und du tust mir leid!«
    Diese Worte diese dummen dummen Worte, die quellen einfach aus meinem Mund.
    »Es tut mir leid, dass du so eine schlimme Kindheit hattest. Und dass du so einen entsetzlichen bösen Vater hast und dass niemand je Interesse an dir hatte. Es tut mir leid, dass du so üble Entscheidungen getroffen hast, die dir jetzt anhängen und dir das Gefühl geben, ein Monster zu sein, das sich nicht mehr ändern kann. Aber am meisten«, ende ich, »tut es mir leid, dass du dir selbst nicht vergeben kannst!«
    Warner zuckt zusammen, als hätte ich ihn ins Gesicht geschlagen.
    Die

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