Rette mich vor dir
meine Beine bewegen muss, dass ich weiterlaufen und mutig sein muss, dass ich kämpfen muss, ob ich will oder nicht, denn so etwas wie das hier darf nicht mehr passieren.
Jemand wirft mich von hinten zu Boden.
Drückt mein Gesicht in die Erde, und ich versuche mich zu wehren und zu schreien, aber jemand entwindet mir die Pistole, drückt mir einen Ellbogen in den Rücken, und ich weiß, dass Adam und Kenji verschwunden sind, irgendwo kämpfen, und dass ich jetzt sterben werde. Ich weiß, dass es aus ist, und das fühlt sich irgendwie nicht real an, sondern als hörte ich eine Geschichte von jemand anderem, als wäre der Tod ein seltsames fernes Ding, das nur Menschen widerfährt, die man nicht kennt, aber ganz gewiss nicht mir, dir, uns.
Doch da ist er.
Ein Pistolenlauf an meinem Hinterkopf und ein Stiefel in meinem Nacken und Erde im Mund und eine Million wertloser Momente, in denen ich niemals wirklich gelebt habe, und ich sehe sie alle vor mir. Klar und deutlich.
Jemand dreht mich um.
Derselbe, der mir die Pistole an den Kopf gehalten hat, zielt jetzt auf mein Gesicht, betrachtet mich prüfend, und ich verstehe diese wütenden grauen Augen und den verbissenen Mund, aber der Mann drückt nicht ab. Er hat nicht vor, mich zu erschießen, und das macht mir noch mehr Angst.
Ich muss unbedingt meine Handschuhe ausziehen.
Der Soldat schreit jemandem etwas zu, das ich nicht verstehe, und ich nutze diesen Moment der Ablenkung, um den Schutzring an meiner linken Hand abzustreifen. Ich muss den Handschuh loswerden. Ich muss den Handschuh loswerden, denn nur so kann ich überleben, aber der Regen hat das Leder durchnässt, und es haftet an meiner Haut, lässt sich nicht leicht abstreifen, und jetzt merkt der Soldat, was ich tue, reißt mich hoch, nimmt mich in den Schwitzkasten und hält mir die Pistole an den Kopf. »Ich weiß, was du da machst, du kleine Ratte«, sagt er. »Ich weiß Bescheid über dich. Beweg dich einen Millimeter, und ich knall dich ab.«
Doch irgendwie glaube ich ihm nicht.
Ich glaube nicht, dass er mich erschießen soll, denn sonst hätte er es längst tun können. Er wartet vielmehr auf etwas. Ich weiß nicht, auf was, aber ich muss schnell handeln. Ich brauche einen Plan, habe aber keine Ahnung, was ich tun soll, und ich umklammere seinen Arm, den er mir an den Hals presst, und er schüttelt mich und brüllt, ich soll damit aufhören, und drückt mir noch mehr die Kehle zu, und meine Finger krallen sich um seinen Unterarm und versuchen den eisernen Griff zu lösen, und ich kann nicht mehr atmen und gerate in Panik, bin doch nicht mehr sicher, ob er mich nicht umbringen wird, und merke nicht, was ich getan habe, bis ich ihn schreien höre.
Ich habe ihm sämtliche Knochen im Arm gebrochen.
Er fällt zu Boden, lässt seine Waffe fallen, um nach seinem Arm zu greifen, und schreit vor Schmerzen so laut, dass ich meine Tat beinahe bereue.
Doch ich schaffe es loszurennen.
Komme aber nur wenige Meter weit, weil sich dann 3 Soldaten auf mich hechten, die gemerkt haben, was ich mit ihrem Kameraden gemacht habe, und als sie mein Gesicht sehen, wird mir klar, dass sie mich erkennen. Einer von ihnen mit dichten braunen Haaren kommt mir auch entfernt bekannt vor. Aus der Zeit, als Warner mich gefangen hielt und überall herumzeigte. Kein Wunder, dass mich diese Soldaten wiedererkennen.
Und sie lassen mich nicht mehr los.
Drücken mich wieder mit dem Gesicht in die Erde, halten meine Arme und Beine so fest, dass ich glaube, sie wollen mir die Glieder ausreißen. Ich versuche mich immer noch zu wehren, versuche mich zu konzentrieren, um meine Kraft zu aktivieren, und habe es schon beinahe geschafft, sie wegzustoßen, aber
jemand schlägt mir auf den Kopf, und ich sinke in eine Art Bewusstlosigkeit.
Höre nur noch Stimmengewirr, sehe keine Farben mehr, spüre meine Beine nicht mehr. Weiß nicht, ob ich laufe oder getragen werde, aber ich spüre den Regen. Spüre, wie er mir übers Gesicht rinnt, und dann höre ich Metall auf Metall, ein vertrautes Surren, und der Regen hört auf, verschwindet, und ich weiß nur zweierlei, und davon eine Sache ganz sicher.
Ich bin in einem Panzer.
Ich werde sterben.
67
Ich höre ein Windspiel.
Ein Windspiel, zum Irrsinn getrieben von einem Sturm, und ich kann nur denken, dass diese Klingeltöne mir so unglaublich vertraut sind. Mir ist furchtbar schwindlig, aber ich muss unbedingt wach bleiben. Ich muss wissen, wo die mich hinbringen. Ich muss erfahren, wo ich
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