Rette mich vor dir
– alles in Ordnung?« Adam zieht mich beiseite. Betrachtet mich forschend. Runzelt besorgt die Stirn.
»Ja, alles klar«, lüge ich. Nicke zu oft. Schüttle ein-, zweimal den Kopf. »Hab nur letzte Nacht nicht genügend geschlafen. Aber das wird schon.«
Adam zögert. »Bist du sicher?«
»Absolut«, lüge ich erneut. Zögere. Packe ihn am Hemd. »Hey – sei vorsichtig da draußen, ja?«
Er atmet langsam aus. Nickt einmal. »Mach ich. Und du auch.«
»Los los los!«, drängelt Kenji. »Heute ist ein guter Tag zum Sterben, Leute.«
Adam stupst ihn ein bisschen an.
»Oh, und nun wird das schwächliche Kind gehauen oder was?« Kenji richtet sich auf und boxt Adam auf den Arm. »Heb dir dein Adrenalin fürs Schlachtfeld auf, Bruder. Da wirst du’s brauchen.«
Wir hören den schrillen Ton einer Trillerpfeife.
Zeit zum Aufbruch.
64
Es regnet.
Die Welt weint, weil sie ahnt, was geschehen wird.
Wir sollen uns in kleine Gruppen aufteilen und separat kämpfen, damit wir nicht alle zugleich getötet werden können. Da wir nicht genügend Leute für eine Offensive sind, müssen wir verdeckt kämpfen. Und ich bin froh, dass Kenji bei uns ist, auch wenn ich mich dieses Gefühls ein wenig schäme. Aber ohne ihn wären wir schwächer gewesen.
Doch als Erstes müssen wir dem Regen entkommen.
Wir sind schon ziemlich durchnässt. Kenji und ich tragen zwar unsere Anzüge, die uns vor einigem schützen, aber Adam ist nur mit Baumwollsachen bekleidet, und ich fürchte, dass wir so nicht lange durchhalten werden. Die aufgeteilten Kampfgruppen haben sich bereits zerstreut, denn die kahle Ebene oberhalb von Omega Point bietet uns keinerlei Schutz.
Zum Glück haben wir Kenji bei uns. Wir 3 sind schon unsichtbar.
Die feindlichen Truppen sind nicht weit entfernt.
Seit Anderson hier eingetroffen ist, hat er alles getan, um die Macht und den eisernen Zugriff des Reestablishment zu demonstrieren. Jegliche Opposition, so schwach oder harmlos sie auch sein mochte, wurde brutal unterdrückt. Er ist wütend, dass wir die Rebellion gestärkt haben, und nun will er zum Gegenschlag ausholen und uns alle vernichten.
Die armen Zivilisten sind nur Bauernopfer.
Schüsse.
Wir bewegen uns automatisch in diese Richtung. Stumm. Wir wissen genau, was wir zu tun haben. Unsere Mission besteht darin, uns dem Kampfgeschehen zu nähern und so viele feindliche Soldaten wie möglich zu töten. Um die Unschuldigen zu schützen und unsere Truppen zu stärken.
Dabei sollten wir möglichst nicht sterben.
In der Ferne tauchen die Umrisse der Siedlungen auf, aber der Regen erschwert die Sicht. Alles verschwimmt, und ich muss angestrengt blinzeln, um überhaupt etwas zu erkennen. Ich taste nach den Pistolen in meinen Rückenholstern. Muss unwillkürlich an meine letzte Begegnung mit Anderson – meine einzige Begegnung mit diesem entsetzlichen, widerwärtigen Menschen – denken und frage mich, was wohl aus ihm geworden ist. Ob Adam Recht hat mit seiner Annahme, dass Anderson schwer verletzt ist und sich noch erholen muss. Und ich frage mich, ob Anderson wohl auf dem Schlachtfeld auftauchen wird. Oder ob er zu feige ist, um in seinen eigenen Kriegen zu kämpfen.
Schreie. Wir nähern uns dem Kampfgeschehen.
Die Landschaft, durch die wir uns bewegen, besteht aus verwischten Grautönen, und die wenigen Bäume, die überlebt haben, recken ihre kahlen zitternden Äste gen Himmel, als wollten sie beten um ein Ende dieser Tragödie, der auch sie nicht entkommen können. Die Tiere und Pflanzen sind zu bedauern.
Sie sind unschuldig am üblen Zustand der Welt.
Kenji führt uns zum Rand der Siedlungen, und wir stellen uns unter den Dachvorsprung von einem der kleinen quadratischen Häuser, wo wir halbwegs geschützt sind vor dem gnadenlosen Regen.
Der Wind peitscht gegen die Wände, rüttelt an den Fenstern, und die Regentropfen auf dem Dach knallen wie Popcorn-Mais beim Aufplatzen.
Die Botschaft von dort oben ist unmissverständlich: Wir sind furchtbar wütend.
Wir sind wütend, und wir werden euch bestrafen, weil ihr so bereitwillig Blut vergießt. Wir werden uns das nicht mehr länger untätig ansehen. Wir machen euch fertig, sagt der Himmel.
Wie konntet ihr mir das antun ?, raunt der Wind.
Ich habe euch alles gegeben.
Nichts wird mehr wie früher sein .
Ich frage mich, wieso die Armee nirgendwo zu sehen ist. Und auch niemand von Omega Point. Überhaupt keine Menschenseele. Diese Siedlung kommt mir etwas zu friedlich vor.
Als ich gerade
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