retten die Pferde
den Botanikunterricht. Die anderen fanden, ein Waldspaziergang wäre eine gute Idee. Marion, Jenny und Carlotta schlossen sich an. Anne kam dazu und meinte, das wäre prima, sie wollte auch mitkommen, „weil man beim
Wandern abnimmt“.
„Wollen wir nicht Anja fragen, ob sie Lust hat?“, meinte Marion, und gleich darauf verschwand sie um Anja zu holen. Anne schaute auf die Uhr. „Schon halb vier. Glaubt ihr nicht, dass wir Hunger kriegen? Ich frage mal die Hausmutter ...“
Sie sauste davon, so schnell es ihre Rundungen erlaubten. Als sie zurückkam, hatte sie eine prallgefüllte Tüte im Arm.
Es wurde ein wunderschöner kleiner Ausflug. Die Mädchen schoben abwechselnd Anjas Rollstuhl. Nanni sammelte Kräuter und verstaute sie sorgsam in ihrem Beutel. Als Carlotta Himbeeren entdeckte, schüttete Nanni ihre kostbaren Kräuter aus, denn ein Behältnis für die Früchte war wichtiger. Anja, die nicht durchs Himbeerdickicht kriechen konnte, und Anne, die zu faul dazu war, hüteten auf einer Lichtung sowohl die Kräuter als auch den Proviant. Später gab es Butterkuchen mit Himbeeren. Natürlich fehlte ein Stück Kuchen, denn Anne hatte es vor Hunger nicht mehr ausgehalten. Keine wollte die mitgebrachten Äpfel essen.
„Wir könnten auf dem Heimweg beim Zierer-Bauern vorbeigehen“, schlug Hanni plötzlich vor. „Max und Sternchen und die anderen besuchen. Wir waren schon lange nicht mehr dort und sie freuen sich bestimmt über unsere Äpfel.“ Die anderen nickten.
„Wer sind Max und Sternchen?“, wollte Marion wissen. „Wenn ihr ihnen Äpfel mitbringen wollt . sind das vielleicht Pferde?“
„Ja“, sagte Nanni. „Sehr nette Pferde übrigens. Sechs insgesamt. Max und Sternchen sind die ältesten. Sie gehören einem Bauern, ganz in der Nähe. Er gibt nebenbei Reitunterricht. Einen Sommer lang durften wir bei ihm reiten. Hanni und Carlotta und ich und ein paar aus den anderen Klassen. Leider ist der Zierer ein ziemlich ekelhafter Kerl. Seit dem Tod seiner Frau säuft er. Und wenn er betrunken ist, wird er grob.“
„Manchmal war er auch gemein, wenn er nüchtern war“, ergänzte Carlotta. „Einmal hat er eine Kleine geohrfeigt, nur weil sie sich ungeschickt anstellte. Daraufhin hat Frau Theobald die Reitstunden verboten.“
„Aber die Pferde sind so nett“, fuhr Hanni fort. „Wir besuchen sie manchmal und futtern sie mit Möhren und Äpfeln. Den alten Zierer sehen wir kaum.“
Marions Gesicht wurde hart vor Abwehr.
„Geht ohne mich“, murmelte sie. „Ihr wisst ja . ich möchte nicht.“
„Ja“, sagte Nanni, „wir wissen es. Gut, dass du uns deine Geschichte gleich am ersten Abend erzählt hast, sonst würden wir glauben, du spinnst. Trotzdem, komm bitte mit. Du kannst nicht dein Leben lang allen Pferden aus dem Weg gehen.“
Marion wusste, dass sie Recht hatte.
„Nein, sicher nicht mein Leben lang. Aber vorerst ...“
„Kein Aber“, mischte sich Carlotta energisch ein. „Das sind keine hochgezüchteten Superrenner wie die Pferde, die du früher geritten hast. Das sind mehr oder weniger Bauernrösser, mit denen die Anfänger lernen, wie man auf einem Gaul sitzt oder wie man runterfällt. Du gibst ihnen einen Apfel oder lässt es bleiben. Jedenfalls läufst du nicht davon. Du bist doch kein Feigling.“
Das wirkte.
„Okay“, sagte Marion und nickte ernst.
Die Koppel war beinahe leer. Nicht mehr sechs Pferde grasten hier wie früher, nur Max und Sternchen waren da. Max war ein grobknochiger, fast schwarzer Wallach, ein kräftiges altes Tier. Er hinkte auf der linken Hinterhand. Sternchen war eine zierliche, hübsche, goldbraune Stute, die ihren Namen einer sternförmigen Blesse auf der Stirn verdankte. Sie hatte keine Behinderung, aber sie war ebenfalls alt. Zu alt um Bauernarbeit zu verrichten, zu alt um geritten zu werden. Max und Sternchen waren Freunde. Seit Jahren standen sie im Stall nebeneinander. Auf der Koppel grasten sie gemeinsam. Manchmal rieben sie ihre Köpfe aneinander und schmusten.
Als die Mädchen am Zaun standen und die Pferde riefen, kamen sie sogleich um sich streicheln zu lassen und die Äpfel in Empfang zu nehmen. Sie verspeisten sie genüsslich.
Marion kraulte Sternchen hinter den Ohren und redete leise mit ihr, in dem sanften, ruhigen Ton, von dem sie wusste, dass Pferde ihn mögen.
Es war dumm von ihr gewesen, dass sie nicht gleich hatte mitkommen wollen. Den Reitstall zu Hause konnte sie nicht ertragen, mit ihm waren so viele Erinnerungen
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