Rettet den Euro!: Warum wir Deutschland und Europa neu erfinden müssen (German Edition)
York, sondern in Singapur, São Paulo, Shanghai oder Abu Dhabi.
Versetzen wir uns einmal in die Lage eines, sagen wir, chinesischen Investors. Er verfolgt die Entwicklungen in Europa und steht vor der Frage, was er mit seinen Euro-Anlagen tun soll. Insgesamt handelt sich um nicht wenig Geld; die chinesische Zentralbank soll rund 1000 Milliarden Euro halten. Verkaufen wird er nur, wenn er als Folge der Euro-Krise mit einem Absturz der Gemeinschaftswährung rechnet. Würde nun Griechenland (und / oder andere Schuldnerländer) aus der Währungsunion ausgeschlossen, würde sich das am Ende auf den Außenwert des Euro aber nicht negativ, sondern sogar positiv auswirken. Denn ausscheiden würde ein schwächeres Mitglied, und zurückblieben die stärkeren Partner. Wenn Griechenland pleitegeht, dann müssen die anderen Länder, die geholfen haben, zwar Geld abschreiben. In Zukunft müssten sie aber weniger zahlen und könnten so ihre eigenen Staatsfinanzen schonen. Auch das würde dem internationalen Image des Euro helfen – und damit seinem Wechselkurs.
Wirklich riskant würde es nur, wenn die Partnerländer Griechenland (oder einem der anderen betroffenen Staaten) keine Auflagen zur Konsolidierung seiner öffentlichen Finanzen machen und gleichzeitig unbegrenzt Geld in diese Staaten pumpen würden. Schlecht wäre es auch, wenn sich Deutschland aus dem Euro verabschieden würde. Für beides aber gibt es keinerlei Hinweise. Also wird der Chinese seine Euros behalten, vielleicht sogar noch welche dazukaufen. Dies umso mehr, als die Europäische Zentralbank trotz Schuldenprobleme die Zinsen erhöht und gleichzeitig der Dollar von eigenen Schulden belastet ist. Das Einzige, was der Chinese nicht tun wird: Er wird seine Euros nicht bei griechischen Banken oder in Bonds von Staaten halten, die von einer Umschuldung betroffen sind.
Der Wechselkurs des Euro steigt also – trotz Krise. Man kann sogar so weit gehen und sagen: Je mehr es in Euro-Land brodelt und je größer die Unruhen werden, umso mehr wird sich der Euro aufwerten. Das ist freilich kein Zeichen der Stärke des Euro oder – wie ewige Optimisten sagen – ein Zeichen, dass die Krise gar nicht so schlimm ist. Es ist eher eine Schwäche. Die Währungsunion ist noch nicht so stark zusammengewachsen, dass sie als unabänderlich gilt.
Wenn Schottland finanzielle Probleme hat, dann wird das Pfund Sterling schwach, weil jeder damit rechnet, dass die Schulden Schottlands am Ende auf London zurückfallen. Wenn Kalifornien ein zu hohes Staatsdefizit aufweist, dann tangiert das den Dollar, weil der Markt befürchtet, dass Washington zu Hilfe kommen könnte (auch wenn Washington das nicht tut). Beim Euro ist der Zusammenhalt der Mitglieder noch nicht so groß wie bei etablierten Währungen.
Für die gute Performance des europäischen Bonds-Marktes (jedenfalls des »sicheren« Teils) gibt es ebenfalls eine Erklärung. Wenn Griechenland Probleme hat, dann haben als Erste die Griechen Angst um ihr Geld. Sie bringen es ins Ausland. Zum Teil wird es in deutschen Bundesanleihen angelegt. Das erklärt die niedrigen Zinsen hier. Zum Teil geht es in die Schweiz; das hat zu dem Höhenflug des Schweizer Frankens beigetragen. In der Zürcher Bahnhofstraße sollen, so lautet das Gerücht, 280 Milliarden Euro aus griechischen Quellen liegen. Zum Teil geht es, wie man hört, auch in den Londoner Immobilienmarkt. Auch hier kann man sagen: Je größer die Probleme bei den Peripheriestaaten, umso besser ist es für die Finanzmärkte in den Partnerländern.
Dass Fluchtgelder im Aktienmarkt angelegt werden, ist an sich eher ungewöhnlich. Normalerweise wird Fluchtgeld nicht in Aktien »geparkt«. Solche Anleger wollen keine neuen Risiken eingehen. Insofern stellt sich die Lage hier etwas anders dar. Aber selbst wenn nur relativ wenig Geld dorthin fließt, wirkt das auf den Markt stabilisierend. Es ist ein Gegengewicht zu den Auswirkungen, die sich sonst am Aktienmarkt zeigen: etwa dass Banken und Versicherungen von Abschreibungen auf Anleihen aus den Schuldnerländern betroffen sein könnten oder dass weniger nach Griechenland exportiert werden kann.
Auch die Politik weiß nicht weiter
Doch zurück zu den Problemen des Euro. Das Schlimmste in der Situation war: Niemand wusste so recht, wie die Gemeinschaftswährung gerettet werden könnte. So etwas hatte es noch nicht gegeben. In der vorausgegangenen Rezession sprang der Staat mit öffentlichem Geld gegen die zu geringe private
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