Rettungskreuzer Ikarus Band 015 - Die abwartende Dominanz
einen geschäftsmäßigen Tonfall. Seit die Grey
aus der Rettungskapsel geborgen worden war, hatte sie sich nur kurz im Krankenhaus
aufgehalten und war rasch in das Krisenzentrum zurückgekehrt, um bei den
letzten Verteidigungsvorbereitungen zu helfen. Schließlich war Sentenzas
Rückzugsbefehl gekommen. An'ta hatte diesem ganz offensichtlich nur unwillig
Folge geleistet. Die Tatsache, dass kurz nach dem Absprengen der Kapsel Admiral
Marten in ihren Armen einem Infarkt zum Opfer gefallen war, hatte ganz offenbar
Spuren in ihr hinterlassen.
An'ta musterte Anande kurz, dann schüttelte sie den Kopf.
»Ich bin soweit in Ordnung, Doktor«, meinte sie mit ihrer angenehmen,
volltönenden Stimme, die, das wusste Anande mittlerweile, vor Erotik förmlich
vibrieren konnte, wenn es notwendig war. »Ich bin unten auf Pronth durchgecheckt
worden.«
Der Doktor machte eine hilflose Geste.
»Dann will der Captain, dass Sie auf die Brücke kommen.«
Die Grey nickte nur, ließ den Arzt stehen und legte den Weg zur Brücke
in Rekordzeit zurück. Als sie den Raum betrat, saßen alle anderen
bereits auf ihren Plätzen. Sonja DiMersi, die es offenbar nicht im Maschinenraum
gehalten hatte, warf ihr einen taxierenden Blick zu, was An'ta geflissentlich
ignorierte.
»Captain ...«
Sentenza drehte sich halb zu ihr um und nickte ihr zu.
»An'ta, bitte gehen Sie auf Ihre Position. Wir verlassen sofort den Orbit.«
Ein leichtes Zittern durchfuhr die Ikarus , als sich das Schiff unter
der sachkundigen Führung Arthur Trooids aus der Umlaufbahn löste.
»Captain, müssen wir wirklich so sang- und klanglos verschwinden?«,
fragte An'ta mit einem drängenden Unterton in der Summe. Sentenza sah sie
nun voll an, in seinem Gesicht war keine Freude zu sehen.
»Mir schmeckt das auch nicht, bitte glauben Sie mir das. Aber wir haben
keine Freigabe für einen Kampfeinsatz ... und selbst wenn, dann würde
ich trotzdem den Rückzug befehlen. Wir sind kein Gegner für ein imperiales
Kampfgeschwader.«
Er maß die Grey mit einem langen Blick, dann seufzte er.
»Sie haben durch Ihren Einsatz auf der Thunderchild mehr zur Verteidigung
beigetragen, als es unser aller Pflicht gewesen wäre. Und es war eine beeindruckende
Aktion, die das bestmögliche Resultat erzielt hat.«
»Das bestmögliche Resultat?«, schnappte An'ta zornig. »Admiral
Marten ist ...«
»Tot, ja, ich weiß. Er und gut 270 weitere Angehörige der pronthirischen
Streitkräfte. Er wurde nicht zum Dienst gepresst, niemand hätte es
ihm in seinem Alter verübelt, wenn er sich irgendwo hin zurückgezogen
hätte. Doch er war ein alter Soldat, An'ta, und er wusste genau, was er
tat. Er tat es freiwillig und wie jeder Soldat im vollen Bewusstsein der möglichen
Konsequenzen – und die bedeuten für einen Soldaten in einem Kampf
auch, den Tod zu finden.«
»Sie sind kalt, Captain!«, warf An'ta Sentenza vor.
»Nein, realistisch. Admiral Marten trug einen militärischen Dienstgrad
– den höchsten, den man in einer Raumflotte erlangen kann. Er hat
ihn nicht dadurch erworben, dass er alten Damen über die Straße half
oder Blumengirlanden drehte. Er war ein Krieger. Das war er bis zum Ende. Er
hat einen Triumph miterlebt und starb, bevor er mit ansehen konnte, dass sein
Triumph am Ende doch keinen Sinn hatte. Sie sollten ihn ruhen lassen, An'ta.«
Die Grey presste die Lippen aufeinander, drehte sich wortlos um und setzte sich
in ihren Sessel. Als der Sicherheitsgurt sich um ihren Körper legte, sah
man, wie es in ihrem Gesicht arbeitete. Niemand sprach sie an.
»Wir sind aus dem Orbit, Captain«, meldete Trooid.
»Nehmen Sie die vereinbarte Position ein«, befahl Sentenza. Er hatte
einen Standort im System ausgewählt, der ihnen so lange einen freien Blick
auf das künftige Kampfgeschehen bieten würde wie möglich. Bei
einer Feindbewegung in ihre Richtung würden sie schnell beschleunigen und
den SAL-Antrieb aktivieren, um auf dem kürzesten Weg nach Vortex Outpost
zurückzukehren. Doch so lange es nur ging, wollte Sentenza sein Versprechen
dem Hegemon gegenüber einlösen und die sich entwickelnden Ereignisse
aufzeichnen.
Die Ikarus glitt durch den Weltraum. In wenigen Minuten würde sie
ihr vorläufiges Ziel erreicht haben.
Das imperiale Geschwader schien nicht so lange warten zu wollen.
»Captain, es geht los!«
Jeder sah es, die taktische Darstellung auf dem Hauptmonitor ließ keine
Weitere Kostenlose Bücher