Rettungskreuzer Ikarus Band 017 - Das Anande-Komplott
den besseren Weg gewählt. Keine Geschlechtertrennung,
kein Ärger mit einer Frau ... oder einem Mann.«
Der Kilese lachte und trank einen tiefen Schluck von dem heißen Gebräu,
das irgendwer mehr aus Tradition denn aus echten Gründen Kaffee genannt
hatte.
»Ganz so einfach ist das auch nicht, immerhin haben wir auch unsere Sozialkontakte,
selbst wenn es dabei nicht primär um Vermehrung geht.«
»Primär! Das also denkt ihr über uns! Lass dir gesagt sein, dass
es auch unter Menschen solche gibt, die auf die Persönlichkeit eines Partners
schauen und nicht nur an Sex denken!«
»Tatsächlich?« Ay gab einen kurzen, glucksenden Laut von sich,
der verdächtig nach einem unterdrückten Kichern klang. »Dann
würde ich mich freuen, wenn du mir bei Gelegenheit mal einen davon vorstellen
könntest ...«
Die Erwiderung Giuseppe Deros wurde von dem kurzen Signalton des Newstickers
unterbrochen. Beide Journalisten lasen die Nachricht, die auf dem Display erschienen
war.
»Das klingt doch mehr nach Deinem Bereich als das mit der Hochzeit«,
bemerkte Deros.
»Stimmt. Das könnte interessant werden. Weißt du, wer dieser
Doktor Jovian Anande ist, gegen den Anklage erhoben wird?«
»Nein, obwohl ... ein bisschen vertraut kommt mir der Name schon vor.«
Mit einer für seine Körpermasse erstaunlichen Leichtigkeit beugte
sich Deros vor und tippte eine Anfrage in den Computer. Sprachsteuerung der
Programme hatte sich in vielen Redaktionen nie durchgesetzt. Die meisten Journalisten
bevorzugten es, ihre Gedanken lautlos zu formulieren und an ihnen zu arbeiten
wie ein Steinmetz an einem hartnäckigen Brocken Granit – die wenigsten
mochten es, dabei stammelnd durch ihr Büro zu wandern.
»Hier, ich wusste es doch. Doktor Jovian Anande ist Teil der Crew des Rettungskreuzers Ikarus vom Raumcorps, stationiert auf Vortex Outpost. Jede Menge Lobpreisungen
für hervorragenden Einsatz und gute Leistung – Junge, die haben aber
auch schon Dinger gedreht ...«
»Und jetzt wird er angeklagt wegen Gentechnik-Verbrechen. Wen haben wir
da? Einen Doktor Jekyll und Mr. Hyde?«
Giuseppe Deros runzelte die Stirn, und es dauerte eine Weile, bis er begriff,
was Ay meinte.
»Du kennst dich in irdischer Literatur und Kultur besser aus als ich«,
knurrte er. »Aber du hast Recht – das klingt auf jeden Fall spannend.
In sechs Tagen geht die Sache los – ich nehme mal an, du hast ab jetzt
viel zu tun.«
Ay nickte, streckte sich – wobei sein Kollege wie oft mit einer Mischung
aus Faszination und leichtem Grausen auf die seltsame Beugung der Gelenke des
Kilesen starrte – und lehnte sich dann vor. Die Nickhäute hatten sich
nun völlig hinter die Lider zurückgezogen und die Augen mit der riesigen
Pupille, um die sich nur ein schmaler Ring strahlenden Blaus zeigte, hatten
einen neuen Glanz bekommen.
»Dann werde ich mal schauen, was ich über die ganze Sache herausfinde
kann ... Und, Giu,« es blickte kurz zu seinem Kollegen auf und hatte den
breiten Mund zu einem Grinsen verzogen, » Du hast nicht zufällig Lust,
heute Nachmittag auf eine ganz tolle Hochzeit zu gehen, oder?«
3.
Der große Raum erinnerte an ein Theater. Von den hohen Tischen, hinter
denen die Richter, die Anwälte, die Beisitzer und der Angeklagte saßen,
weitete er sich fächerförmig aus und bot mit zahlreichen Sitzreihen
einer großen Menge von Zeugen und Zuschauern Platz. Alles war hell und
in einem neutralen Grau gehalten, es gab keinerlei Schmuck oder Verzierungen.
Dies war ein Gerichtssaal, in dem Freisprüche ebenso wie die heftigsten
Kompensationsstrafen ausgesprochen werden konnten, ohne dass eines von beidem
unpassend gewirkt hätte. Ungewöhnlich war eine Art Videoleinwand,
auf die das Bild von kleinen, mit winzigen Rotoren lautlos schwebenden Kameras
projiziert wurde. Sie würde es auch den Zuschauern in den hinteren Reihen
ermöglichen, jedes Mienenspiel der Akteure zu beobachten – gleichzeitig
wurden die Bilder für spätere Verwertung in den Medien aufgezeichnet.
Wenn Sally McLennane gehofft hatte, die Verhandlung auf Regulus so wenig öffentlich
wie möglich über die Bühne bringen zu können, dann war ihr
das ganz und gar nicht gelungen. Es hatte sie nicht überrascht, dass alle
größeren Nachrichtenagenturen von dem anstehenden Ereignis informiert
worden waren, im Gegenteil: Die Tatsache, dass die Köder für die Journalisten
so
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