Rettungskreuzer Ikarus Band 017 - Das Anande-Komplott
geschickt und schmackhaft formuliert wurden, dass viele der Reporter freudig
nach ihnen geschnappt hatten, zeigte nur, wie sehr es jemandem darum ging, dem
Ansehen von Anande, der Rettungsabteilung und vielleicht auch McLennane selbst
zu schaden. Immer mehr verdichtete sich ihr Eindruck, dass es um mehr ging als
um Recht oder Gerechtigkeit.
Es schmeckte nach Rache.
Aber von wem und wofür, das lag noch immer im Dunkeln. Vielleicht, dachte
Sally, würde die Verhandlung jetzt endlich Licht in die Angelegenheit bringen,
und sie würde die Hintergründe erfahren. Mit ihr dann allerdings auch
der gesamte Rest des Raumcorps und alle anderen Sternenbünde ...
Sally ließ ihren Blick über die Sitzreihen gleiten, auf denen die
Journalisten Platz genommen hatten. Es waren bestimmt zwei Dutzend, die nun
geschäftig ihre Aufnahmegeräte überprüften, sich erste Notizen
über die Atmosphäre im Saal machten oder bereits nach den Hauptpersonen
der gleich beginnenden Verhandlung spähten. Wie viele von ihnen würden
Anande in dieser Sache unterstützen? Wie viele gegen ihn sprechen? Die
Medien hatten eine immense Macht und benutzten sie, ohne zu zögern. Wenn
sich die hier versammelten Reporter darauf verschworen, Anande als den finsteren
Bösen darzustellen, dann konnte nichts diesen Eindruck wirklich wieder
aufheben. Die Leute würden sich an die emotionalen Schlagzeilen auf ihren
Displays mehr erinnern als an einen nüchternen Urteilsspruch. Nach und
nach nahm Sally jeden Journalisten in Augenschein. Wie viele von ihnen waren
von der Gegenseite gekauft? Wie viele würden eine so selektive Berichterstattung
machen, dass es keinen Raum mehr für Zweifel oder Mitleid gab, um dann
in einem nagelneuen Gleiter nach Hause zu fahren oder sich auf einen besser
bezahlten Job auf einer der exklusiven Randwelten zu freuen? Es war so einfach,
dieses Spiel zu spielen, und die wenigsten Leute hielten an ihren Prinzipien
und Skrupeln fest, wenn der Preis nur hoch genug wurde. Ohne ein schlechtes
Gewissen bedauerte die ehemalige Leiterin der Rettungsabteilung, dass sie selber
weder die Zeit noch die finanzielle Ausstattung gehabt hatte, um die Gunst von
einigen dieser Schreiberlinge zu erkaufen. Dies war ein Krieg und die Manipulation
der Öffentlichkeit eine angemessene Waffe.
Sallys Gedankengänge wurden davon unterbrochen, dass die Vertreter des
Gerichtes den Saal betraten und sie sich als Zeichen des Respekts vor dieser
Autorität zusammen mit allen anderen erhob. Sie musterte die Menschen in
ihren langen, robenartigen Gewändern eingehend. Die dunkelhäutige
Frau war die Richterin Arna Botha. Alle Erkundigungen, die McLennane eingezogen
hatte, klangen eher beruhigend. Arna Botha, so schien es, war eine Frau, die
den Gesetzen treu blieb, sich nicht manipulieren oder kaufen ließ und
deren Urteile von Weisheit und – je nach den Umständen – von
angemessener Milde oder entsprechender Härte zeugten. Fast hatte sich Sally
gewundert, dass eine solche Richterin den Vorsitz führen würde. Sie
hatte damit gerechnet, einen ›Eisenbeißer‹ als Richter vorzufinden,
einen so harten Knochen, dass Anandes Schicksal fast im Vorfeld besiegelt sein
würde. Tatsächlich hatte sich ein Richter Abachna um den Vorsitz für
diese Verhandlung bemüht, aber seine Nachrichten waren in den Datenfluten
der Gerichtsverwaltung irgendwie untergegangen – McLennane lächelte
leicht und war in dieser Sache zufrieden mit Torin Taranos Einsatz. Sie hatte
wenig über Richter Abachna gehört, aber wenn, dann nichts Gutes. Es
beruhigte sie, dass er nicht über das Schicksal des Bordarztes entscheiden
würde.
Über den Protokollanten an der Seite der Richterin Botha und die anderen
Beisitzer wusste Sally nichts, aber sie hatten ohnehin wenig Einfluss. Hwang
Thang, der Anwalt Anandes, war ein zierlicher asiatischer Mann mit großer
Würde und sehr imposanten Fähigkeiten. Sally war sehr froh, dass er
zur Verfügung gestanden hatte und wusste, dass sie die Verteidigung in
keine besseren Hände hätte legen können.
Sein Gegenspieler hieß Gregor von Bussev, und seinem Ruf nach war er jemand,
den man gerne auf seiner Seite hatte, weil man dann sicher sein konnte vor den
zum Teil recht polemischen Wortgewittern, für die er berüchtigt war.
Sein Tageshonorar betrug so viel, wie ein einfacher Dockarbeiter in einem Jahr
bekam und wenn das ein Zeichen von
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