Rettungskreuzer Ikarus Band 042 - Gesandtschaften
zahlreiche seiner eigenen Leute. Und er ließ seine Tochter zurück.«
Ja, verletzt und dem Tode nahe. Ob er sie mitgenommen hätte in sein verstecktes
Fluchtshuttle, wenn sie nicht von Cullum in einem heftigen Kampf in etwas Blutendes
und Zuckendes auf dem Boden der Haupthalle verwandelt worden wäre? Es war
eine Frage, die sie sich anfangs oft gestellt hatte, dann immer seltener. Die
Antwort, das wusste sie, hätte ihr nicht gefallen. Und irgendwann war es
nicht mehr wichtig gewesen.
»Worauf wollen Sie hinaus?«, unterbrach sie abermals, diesmal war
ihre Stimme ruhiger. Ihr Zorn war nicht weg, aber ihre Kontrolle hatte sie zurück.
Und ein kleiner Teil von ihr war neugierig, warum Dilligaf diese Geschichte
jetzt erzählte. Sie mochte es verabscheuen, aber es hatte mit ziemlicher
Sicherheit einen Grund.
»Haben Sie sich nie gefragt, warum Cullum den Vertrag gebrochen und die
Tochter nicht dem Auftraggeber Marsberg ausgeliefert hat? Obwohl die Schwarze
Flamme dadurch eine nicht unerhebliche Summe und – was schlimmer ist –
an Ruf eingebüßt hat?«
Natürlich hatte sie das. Sie hatte sich gerne vorgestellt, dass selbst
ein Söldner es nicht übers Herz gebracht hätte, ein junges Mädchen
dem ebenso sicheren wie qualvollen Tod in den Händen ihrer Erzfeinde auszuliefern.
Aber sie machte sich keine Illusionen. Sie war gut darüber informiert,
wer Sales Vermeer gewesen war – und was er getan hatte. Das gleiche galt
für seine Tochter. Jugend und Unschuld kamen nicht immer Hand in Hand.
Vermeers Tochter aus der Luftschleuse zu werfen, hätte die Welt definitiv
zu einem besseren Ort gemacht. Nein, sie wusste nicht, warum Cullum die Erlaubnis
bekommen hatte, seinen Vertrag zu brechen. Er hatte es ihr nie erzählt.
Skyta merkte, dass Dilligaf tatsächlich auf eine Antwort wartete, und schüttelte
den Kopf. Die Geste genügte ihm, und trotzdem zögerte er. Jetzt verstand
Skyta all die Vorreden. Der alte Söldner kam zum Kern dessen, was er ursprünglich
sagen wollte, und er tat es offensichtlich ungern. Die ihnen allen bekannten
Fakten zu wiederholen, hatte nicht dazu gedient, sie aus dem Gleichgewicht zu
bringen, sondern ihm Zeit zu verschaffen. Zeit wofür? Dilligaf warf ihr
einen kurzen, sehr kurzen Blick zu, und Skyta hatte die Antwort. Zeit zu entscheiden,
ob er ihr wirklich vertrauen konnte. Trotz ihrer Vorgeschichte, ihrer Alleingänge,
ihrer Jugend, ihrer noch nicht bewiesenen Loyalität gegenüber den Rashh Udayyin. Sie konnte für den Moment, in dem sich ihre Blicke
trafen, fast seine Gedanken hören:
Ach, was soll's. Sie ist Cullums Mädchen. Und hier geht sowieso alles
drunter und drüber. Wann, wenn nicht jetzt?
»Die Schwarze Flamme bestand ursprünglich, bei ihrer Gründung,
aus Menschen mit einer ganz speziellen Eigenschaft – und einem einzigen,
ganz speziellen Ziel«, wechselte er scheinbar abrupt das Thema. »Die
Situation damals war ein Spiegelbild dessen, was wir hier und heute erleben.
Planeten waren halb entvölkert, die Wirtschaft lag am Boden, Sozialsysteme
waren zerbrochen. Milliarden von Leuten, die jung und stark und fähig waren,
hatten ihre Welten verlassen, um irgendwohin zu gehen.«
»Der Wanderlust-Virus. Er ist der Grund für die Existenz der Schwarze
Flamme?« Syktas Stimme klang zweifelnd. Dilligaf hatte so etwas bereits
bei der Besprechung auf Vortex Outpost erzählt; er war ungewöhnlich
freigiebig mit Wissen gewesen, das bisher nicht weiter publik gemacht worden
war. Zu dem Zeitpunkt, in diesem Kreis, hatte es jedoch niemanden interessiert,
was kein Wunder war, mit den Ts!gna vor der Tür und der verzweifelten Suche
nach einem Mittel gegen die Seuche. Jetzt erzählte Dilligaf die Geschichte
noch einmal, nur... wirklicher.
»Damals stellte man fest, dass es einige Leute gab, die eine natürliche
Immunität gegen den Virus hatten. Eigentlich gibt es immer Leute, die gegen
irgendwas resistent sind, aber dieser Virus der Killia ist eine Waffe, hoch
spezialisiert und mit einer Technik erschaffen, die unserer – zumindest
in dieser Hinsicht – unendlich weit überlegen ist. Es gab also Immune,
aber es waren wenige. Mitten im Chaos begannen sie, sich zusammen zu finden
und die Bruderschaft zu gründen: die Kurro Durgol. Sie kämpften auch
als Erste gegen die Ts!gna.«
»Die Rieseninsekten. Sie sind die Soldaten der Sammler und waren beim letzten
Exodus auch schon
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