Rettungskreuzer Ikarus Band 046 - Welt der Schlafenden
Angst vor all diesen Leuten, fühlte sich seiner Aufgabe gewachsen und betrachtete es sogar als Spaß, eine Galaxie zu erforschen, von der nur uralte Überlieferungen kuriose und furchtbare Dinge berichteten. Die Vizianer hatten schon vor Jahrtausenden die aktive Raumfahrt aufgegeben und ihr Sonnensystem in einer Dyson-Sphäre verborgen. Was sein Volk einerseits vor vielen Bedrohungen geschützt hatte, war andererseits eine ungesunde Isolation gewesen, die andere Gefahren mit sich bringen konnte, wie zuletzt der Outsider-Krieg bewiesen hatte.
Nein, Pakcheon empfand auch keinen Ekel angesichts der prim… weniger fortschrittlich entwickelten und mitunter bizarr anmutenden Wesen. Sie waren interessant und amüsant. Seit er mit ihnen in Kontakt getreten war, hatte er sich kein einziges Mal mehr gelangweilt.
Es war einfach das seit Generationen in den Vizianern verwurzelte Gefühl der Hilflosigkeit und des Misstrauens gegenüber dem Unbekannten, das Aufregung und Scheu vor den extrem kontaktfreudigen Nicht-Vizianern in ihm auslöste – innerliche Hürden, denen er sich jeden Tag aufs Neue stellen und die er bewältigen musste. Sobald er das geschafft und den kritischen Punkt hinter sich gelassen hatte, wunderte er sich, weshalb er eben noch so durcheinander und aufgewühlt gewesen war, dass es zu physischen Reaktionen wie Übelkeit und Schweißausbrüchen hatte kommen können.
Shilla kannte dieses Problem nicht, aber sie war für eine Vizianerin so xenophil und soziophil, dass es schon fast krankhaft schien. Natürlich hätte man nicht sie ausgesucht, um als Erste nach Jahrtausenden Vizia zu verlassen, wenn es anders gewesen wäre. Nach eigenen Angaben mochte sie es nicht, wenn andere versuchten, sie zu berühren, aber Aufregung oder Abscheu verspürte sie nicht. Glückliche Shilla! Ob das Berührungstabu auch für den Gauner Knight gilt? Pakcheon konnte den Kerl nicht ausstehen.
Den anderen Vizianern, mit denen Pakcheon gesprochen hatte, war das unangenehme Phänomen vertraut, doch hatten sie ihre Kontakte zu anderen Spezies während des Kampfes gegen die Outsider auf ein Minimum begrenzt.
Natürlich hätte Pakcheon etwas dagegen unternehmen können: Er war Mediziner, und in seinem Schank lagen auch Beruhigungsmittel. Allerdings ließ es sein Stolz nicht zu, wegen solch einer Bagatelle zu Tabletten zu greifen. Irgendwann würde er die irrationalen Gefühle beherrschen und sich an den Austausch mit anderen gewöhnt haben. Hoffentlich. Bis dahin trug er eine Maske aus Selbstbewusstsein, Arroganz und Nonchalance, um die aufdringlichen Wesen auf Distanz zu halten und zu vermeiden, dass sie seine empfindliche Stelle entdecken konnten.
Auch heute würde er seine Rolle perfekt spielen, obwohl es überhaupt keinen Anlass gab, hinter der souveränen Maske nervös zu sein, denn Pakcheon hatte sich freigenommen, um Junius Cornelius zu empfangen.
Falsch: Das war sehr wohl ein sehr triftiger Grund!
Cornelius … Pakcheons Herz schlug wieder schneller, und er transpirierte, was zur Folge hatte, dass er noch intensiver nach Vanille und Sandelholz zu duften begann.
Fast alle Wesen, die er bislang kennengelernt hatte, empfanden den Körpergeruch der Vizianer als angenehm – und reagierten auf die Pheromone, die mit dem Schweiß ausgeschüttet wurden. Es war eine Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet die Vizianer, die keine Berührungen oder gar intime Kontakte wünschten, durch ihre Pheromone nahezu alle Humanoiden und Nicht-Humanoiden sexuell stimulierten. Die Augen jener, Frauen und Männer gleichermaßen, die an Pakcheon vorübergingen, glänzten voller Begehren. Er ignorierte sie.
Seine Gedanken wandten sich wieder Cornelius zu. Der ehemalige Septimus hatte sich seit seiner Abreise von Vortex Outpost nicht mehr gemeldet, von einer knappen Notiz, die seinen Ankunftstermin nannte, einmal abgesehen – aber Gerüchte hatten die Runde gemacht:
Seitdem Cornelius unter Einsatz seines Lebens einen Speicherkristall mit geheimen Informationen, die aus den Archiven der Schwarze Flamme stammten, nach Vortex Outpost gebracht hatte, betrachtete ihn die Konföderation Anitalle als Verräter und hatte ihn seines Amtes als Botschafter enthoben. Nach der Anhörung war das Gericht sehr schnell zu einem Urteilsspruch gekommen, denn Cornelius hatte alles zugegeben. Dass es keine schlimmere Strafe – die Deportation zu einem Gefängnisplaneten und Beschlagnahmung seines Vermögens – gegeben hatte, verdankte er den guten Beziehungen
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