Revelations
getestet werden würde. Die Asiatin atmete erleichtert auf und winkte die Soldaten herbei.
»Wir müssen euch in Quarantäne nehmen, bis wir genau wissen, womit wir es zu tun haben. Eure Waffen erhaltet ihr zurück, wenn ihr uns verlasst«, erklärte sie und drehte sich anschließend zu den Wachen um. »Quarantäneblock eins!«
»Aber dein Vater hat gesagt ...«, warf einer der bewaffneten Männer ein. Er war Mitte zwanzig, im selben Alter wie Caiden, und bestach durch seine tiefen, misstrauischen Augenbrauen. Auf seinem Kopf tummelten sich lediglich hellbraune Haarstoppeln, die genauso lang wie sein Drei-Tage-Bart waren.
»Ich weiß, was er gesagt hat!«, erwiderte sie augenrollend. »Leon, ich regel das. Jetzt bringt sie hier weg!«
Angel verfolgte aufmerksam, wie die Pilotin zwar Befehle erteilte, aber definitiv keine Militärkommandeurin war. Der Scharfschütze auf dem Dach zog sich zurück, die Scheinwerfer wurden abgeschaltet und der Panzer rumpelte davon. Leon und seine Kameraden folgten ihren Anweisungen, weil sie es wollten, und nicht, weil sie dazu gezwungen waren.
In der Schleuse des zentralen Zugangsturms musste sich das Team von einem Röntgenscanner durchleuchten lassen, wo bei allen außer Cassidy versteckte Messer oder ähnliche Stichwerkzeuge zum Vorschein kamen. Faith führte den Rekord erwartungsgemäß an. Sie hatte sich schließlich im Kloster neu eindecken können. Diesmal verzichtete sie aber auf ein Bühnenstück wie in Silver Valley, um nicht unnötig aufzufallen.
Cassidy folgte der jungen Asiatin durch einen der kreisrunden Tunnel nach Norden zu den länglichen Gebäudekomplexen. An nahezu allen Wänden liefen unverkleidete Rohre und Kabelschächte entlang, die schmerzhafte Erinnerungen an die verfluchte Militärbasis wachriefen und sie zu erdrücken drohten. Schwarz-gelb gestrichene Geländer, klappernde Fußgitter und Treppen - alles schien aus Metall zu sein. Nirgendwo eine Spur von Beton, Holz oder gar Teppichen aus Stoff. Sämtliche Fenster waren mit schweren Stahlschotten verschlossen, um während der Nacht kein verräterisches Licht nach Außen dringen zu lassen. Die Anlage war zwar in einem weitaus besseren Zustand als die unterirdische McKnight Air Force Base im Hadesgebirge, zeigte aber dennoch deutliche Anzeichen von einigen Jahrzehnten des Verschleißes.
Als Cassidy nach gefühlten fünf Minuten in einen steril wirkenden Raum mit glänzenden Metalloberflächen und blutverschmiertem Boden geführt wurde, wäre sie am liebsten davongelaufen. Die endlos langen und schlecht beleuchteten Tunnel hatten sie bereits stark eingeschüchtert, doch der Anblick des OP-Tisches, auf dem Sharon mit geöffnetem Brustkorb um ihr Leben kämpfte, war zu viel für sie.
»Alles in Ordnung«, flüsterte ihr die Pilotin zu. »Dir wird nichts geschehen.«
Sharon lag in der Mitte des Raums hinter einem milchigen Vorhang, umstellt von einer Frau und einem Mann mit Brille, die in blaue Kittel gekleidet waren und weiße Mundschutze trugen. Sharon selbst war bewusstlos. Ein Bildschirm an der Wand zeigte zusammen mit einem regelmäßigen Piepton ihren Herzrhythmus an. In ihrem rechten Arm steckte ein Tropf, dessen Funktion Cassidy bereits aus ihrer eigenen Krankengeschichte kannte. Ein transparenter Schlauch zur Beatmung war auf ihre Wange geklebt worden und führte direkt in ihren Mund hinein. Das Schauspiel wirkte auf Cassidy wie ein grausames Experiment, bei dem sie das nächste Versuchsobjekt werden sollte.
»Hast du jemanden gefunden?«, fragte die tiefe Stimme der Frau unter ihrem sterilen Mundschutz. Die Asiatin nickte und legte Cassidy auf eine fahrbare Krankenliege. Blut zu spenden war für sie nichts Neues. Angel hatte damit vor ihren Augen Johnny das Leben gerettet, aber die klaustrophobische Umgebung und die verschleierten Gesichter ließen sie zwei Herzschläge vor einer Panikattacke stehen.
»Ich geb ihr lieber etwas zur Beruhigung«, hörte sie die hochgewachsene Ärztin besorgt sagen. Die Frau kam auf sie zu und nahm ihre blutbespritzte Operationsbrille ab. Das grelle Deckenlicht blendete Cassidy, so dass sie nur ihre Augen erkennen konnte, von denen eins nicht dem anderen glich. Erst vermutete sie eine Störung der Augenpigmentierung, wie Kim sie ihr mit ihrem blauen und grünen Auge erklärt hatte, doch ein Auge der Ärztin schien sich in der Höhle zu drehen und sogar himmelblau zu leuchten. Kurz darauf spürte sie einen schmerzhaften Stich in ihrem Unterarm, gefolgt von einem
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