Revelations
Abkommen gebrochen haben, werde ich mich ihnen ganz sicher nicht zu erkennen geben.«
»Kannst du uns mitnehmen?«, fragte Angel, ohne lange nachzudenken. Eine bessere Chance, unbemerkt in Feindesland vorzudringen, würde sie nicht bekommen.
Jiao zögerte und blickte Leon und Sergej fragend an. Die beiden zuckten mit den Schultern und zogen sich dadurch gekonnt aus der Affäre.
»Und was hast du vor, wenn du erstmal da bist?«
Angel hätte ihr eine Liste so lang wie ihre Beine mit Dingen aufzählen können, die sie den Sicarii antun wollte, aber sie war pragmatisch genug, ihren Rachedurst vorerst zurückzuhalten.
»Mehr als fünfhundert von unseren Leuten verlassen sich darauf, dass wir einen Weg finden, die Sicarii davon abzubringen, sie alle zu versklaven«, begann sie diplomatisch. »Ihr habt einen Vertrag mit denen ausgehandelt. Sag du mir, ob es nicht vielleicht auch eine Chance für uns gibt.«
Jiao legte den Kopf zur Seite und versuchte abzuschätzen, wie viel Wahrheit in Angels Worten lag. Zu ihrer eigenen Überraschung hatte sie gar keinen großen Bluff aufbauen müssen. Seit ihrem Zusammentreffen mit Jade hielt sie eine friedliche Übereinkunft nicht mehr für ausgeschlossen. Immerhin hatte sie ihr Dog und Faith zurückgegeben und den Weg zur Biosphäre gezeigt, wo sie tatsächlich etwas Hilfe zu bekommen schienen.
»Meinetwegen. Aber nur ihr zwei. Und mein Vater sollte davon besser nichts erfahren, bis wir weg sind!«
»Einverstanden«, stimmte Angel nickend zu.
»Ich hab außerdem noch eine gute Nachricht für euch«, fuhr Jiao fort. »Angesichts eurer Informationen hat unser weiser Anführer entschieden, dass ihr vielleicht doch von Nutzen für uns sein könntet. Fürs Erste dürft ihr bleiben, bis Sharon genesen ist. Wann das ist, entscheidet Karen, und nicht mein Vater. Für diese Zeit stehen euch zwei unbenutzte Quartiere auf dieser Ebene zur Verfügung, die ihr untereinander aufteilen könnt, wie es euch passt. Nummer dreizehn und vierzehn, Sektion A. Direkt gegenüber von meinem Zimmer.«
Cassidy freute sich überrascht. Angel hingegen wurde aufgrund des plötzlichen Sinneswandels sofort wieder misstrauisch, entschied sich aber, für den Moment darauf einzugehen. Jiao erklärte, dass ihrem Team der Speisesaal, der Erholungsraum und die Krankenstation offenstanden. Dr. Webb schien einen Anfall von Mitleid gehabt zu haben, denn sie bot allen Neuankömmlingen einen medizinischen Check-up an.
Jiao warnte die beiden jedoch im selben Atemzug davor, unerlaubt andere Bereiche der Biosphäre zu betreten oder zu versuchen, den Komplex ohne Begleitung zu verlassen. Dem Basiscomputer Amy würde nichts entgehen. Außerdem bestand ihr Vater auf die ständige Präsenz zweier Soldaten im Erholungsraum, was laut Jiao eher zur Beruhigung der Einwohner gedacht war.
***
Den Rest des Tages erkundete das aus der Quarantäne entlassene Team die kulinarische Vielfalt der Küche, spielte Tischfußball und Tischtennis im Aufenthaltsraum oder genoss eine ausgiebige Dusche im Gemeinschaftsbadezimmer der Wohnsektion. Außerdem war der Muffinvorrat der Biosphäre schon nach kurzer Zeit aufgebraucht, woraufhin Maxwell einige Extrableche backen musste, was er den Neuankömmlingen aber nicht sonderlich übel nahm. Er murmelte irgendetwas davon, dass Jiaos Bekanntschaften aus der Wüste regelmäßig über die kleinen Kuchen herfallen würden.
Angel versuchte Jiao über die McKnight Air Force Base auszufragen, die ihrem Team als verfluchte Militärbasis in Erinnerung geblieben war. Sie bestätigte zurückhaltend die Forschung an neuartigen Waffensystemen, von denen das Wolfsrudel nur ein Projekt von vielen gewesen sei. Die inzwischen gealterten Wissenschaftler sprachen jedoch so gut wie nie von ihrer damaligen Arbeit. Fast schien es, als hätten sie sich gegenseitig ein Schweigegelübde auferlegt. Obwohl sich in der Basis mit Sicherheit noch große Mengen an brauchbaren Versorgungsgütern wie Medizin oder Waffen befanden, waren Expeditionen mit Hilfe der Hubschrauber von Yuen strikt untersagt worden. Sie konnte die Erzählungen über das blutrünstige Wolfsrudel kaum glauben und zeigte sich bestürzt, als sie von Jasons und Matthews Schicksal erfuhr.
In den letzten zwei Jahrzehnten hatten sich die Wissenschaftler neuen Aufgabengebieten zugewandt. Sie forschten nun hauptsächlich, um ihr eigenes Leben zu verlängern. Augmentierungen und Bioimplantate waren zur Zeit des Untergangs gerade kurz vor der Marktreife
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