Revenants Trilogie 01 - Von der Nacht verzaubert
Klappern, als das Telefon auf den Boden knallte, dann nur noch Stille.
»Mein Gott, Charles! Charles!«, schrie ich in den Hörer. Dann hörte ich eine leise Stimme, glatt wie eine Eisscholle.
»Sag Jean-Baptiste, wenn er Charles’ Leiche haben will, dann muss er herkommen und sie sich holen.«
»Was hast du mit ihm gemacht?«, brüllte ich in das Telefon, meine Stimme panisch abgehackt.
»Wir erwarten ihn in den Katakomben. Um Mitternacht geht der kleine Charles in Flammen auf.« Die Verbindung brach ab.
Die Tür flog auf, eine aufgebrachte Charlotte stürmte ins Zimmer. Sie starrte auf das Telefon in meiner Hand und rief: »Was? Was ist passiert?«
»Oh, Charlotte.« Ich spürte, wie mir das Blut aus den Wangen wich, während ich ihr das Handy hinhielt. »Ruf die Jungs an. Sag ihnen, sie sollen sofort nach Hause kommen.«
»Geht es um Charles?«, fragte sie und fing an zu zittern.
Ich nickte.
Sie durchsuchte hektisch Vincents Telefonbuch und wählte eine Nummer an. »Jules, kommt sofort zurück. Es geht um Charles.« Sie legte auf und sagte: »Sie sind ganz in der Nähe, sie sind gleich da. Kate ...« Sie suchte in meinem Gesicht nach einem Fünkchen Hoffnung. Sie fand keins. »Er ist tot.« Das war eine Feststellung, keine Frage.
»Ja.«
»Und die Numa haben ihn?«
»Ja.«
Charlotte sank langsam auf den Boden und umklammerte ihre Beine. Tränen strömten über ihre aschfahlen Wangen. Ich kniete mich zu ihr und nahm sie in die Arme, gerade als die Tür aufflog und Jules und Ambrose hereinstürmten.
»Was ist passiert?«, fragte Jules und setzte sich vor Charlotte.
»Fragt Kate«, schluchzte sie. »Oh, Ambrose«, sagte sie und streckte ihre Arme nach ihm aus. Ambrose setzte sich zu ihr, schlang seine starken Arme fest um sie und zog sie an sich.
Das war das erste Mal, dass ich die beiden zusammen sah. Und obwohl wir mitten in dieser Krisensituation steckten, machte etwas klick in meinem Kopf. Da war irgendetwas zwischen Charlotte und Ambrose. Er behandelte sie so vorsichtig, als wäre sie zerbrechlich. Und sie saugte den Trost, den er ihr spendete, auf wie ein Schwamm.
Von ihm hatte sie also damals am Fluss gesprochen, er war derjenige, der »leider nicht in sie verliebt war«. Sie hatte Ambrose gemeint. Ich wusste sofort, dass das stimmte.
»Kate?«, fragte Jules und riss mich aus meinen Gedanken.
»Charles hat auf Vincents Handy angerufen«, erzählte ich. »Er wollte Vincent sprechen, und als ich sagte, dass er gerade ruht, bat er mich, euch allen auszurichten, dass es ihm leidtue. Er wollte nicht, dass es so passiert. Und dann ... Es klang wie ein Schwert.«
Charlotte wimmerte laut und Ambrose schloss sie noch fester in die Arme.
»Dann hat jemand anders das Telefon genommen und gesagt, wenn ihr Charles’ Leiche wollt, müsst ihr sie vor Mitternacht in den Katakomben abholen.«
»Die Katakomben!«, sagte Jules fassungslos zu Ambrose.
»Wo auch sonst? Wir haben schließlich überall gesucht.« Ambroses Stimme klang wie Gift. Charlotte weinte immer stärker. »Schhh«, summte Ambrose, senkte seinen Kopf und legte seine Wange an ihre. »Alles wird gut.«
»Vincent meint, wir müssen unbedingt Gaspard und Jean-Baptiste informieren«, sagte Jules.
In dem Moment, da ich begriff, dass sich Vincent auch im Zimmer befand, hörte ich die Worte Ich bin da, keine Sorge. Ich atmete erleichtert auf, denn es beruhigte mich sehr, ihn in der Nähe zu wissen.
Kaum liefen wir eine Etage höher den Korridor entlang, kam auch schon Gaspard aus einem der angrenzenden Zimmer und murmelte: »Ist ja gut, Vincent, ich beeil mich doch. Jetzt mal keine Panik.« Dann, als er Charlottes verzerrtes Gesicht erblickte, flüsterte er: »Oh, nein. Ja, ich verstehe«, und öffnete die Tür gegenüber von seinem Zimmer, um uns alle hineinzulassen.
Wir betraten einen Raum, der aussah, als stammte er direkt aus dem Schloss Versailles. An einer Seite fiel ein schwerer Samtvorhang von der Decke bis zum Boden und verbarg ein Bett hinter sich. Spiegel und Gemälde säumten die holzvertäfelten Wände. Ein riesiger Wandteppich, auf dem eine Jagdszene abgebildet war, verdeckte fast komplett die Wand, die dem Bett gegenüberlag.
Jean-Baptiste saß in der Mitte des Zimmers an einem exquisiten Tisch aus Mahagoni und schrieb etwas mit einem Füller. »Ja?«, sagte er seelenruhig, beendete jedoch erst den Satz, bevor er zu uns aufschaute.
Ich wiederholte wortwörtlich das, was ich den anderen ein paar Minuten zuvor erzählt
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