Revenants Trilogie 01 - Von der Nacht verzaubert
ich weiß gar nichts über dich.«
»Das ist Teil meines perfiden Plans.« Er lächelte und hinter uns schloss der Museumswärter die Tür ab. »Wie sonst könnte ich mir sicher sein, dass du dich auf ein weiteres Treffen mit mir einlässt, wenn ich schon bei unserem ersten Gespräch alle Karten auf den Tisch lege?«
»Das war nicht unser erstes Gespräch«, berichtigte ich ihn und versuchte, gelassen zu wirken angesichts der Tatsache, dass er mich um eine weitere Verabredung gebeten hatte.
»Unser erstes Gespräch, in dem ich dich nicht unbeabsichtigt beleidigt habe«, formulierte er seinen Satz neu.
Wir durchquerten den Museumspark und steuerten auf die Spiegelbecken zu, wo schreiende Kinder ausgelassen planschten und sich freuten, dass es um sechs Uhr abends noch so schön sonnig und warm war.
Vincent ging neben mir her, leicht nach vorne gebeugt, die Hände in den Taschen vergraben. Zum ersten Mal spürte ich in ihm ein Fünkchen Verletzlichkeit. Das war meine Gelegenheit. »Ich weiß nicht mal, wie alt du bist.«
»Neunzehn«, sagte er.
»Was machst du beruflich?«
»Ich studiere.«
»Ach, wirklich? Dein Freund meinte, du wärst Polizist.« Ich konnte mir einen sarkastischen Unterton nicht verkneifen.
»Wie bitte?«, stieß er hervor und blieb abrupt stehen.
»Meine Schwester und ich haben gesehen, wie du das Mädchen gerettet hast.«
Vincent sah mich verständnislos an.
»Das Mädchen, das von der Pont du Carrousel gesprungen ist, während in dem Tunnel unter der Brücke irgendwelche verfeindete Banden aufeinander losgegangen sind. Dein Freund hat uns von dort weggeführt und gesagt, dass dort ein Polizeieinsatz stattfände.«
»Oh, das hat er gesagt?«, murmelte Vincent. Sein Gesicht nahm den harten Ausdruck an, der mir schon häufiger aufgefallen war. Er schob seine Hände tiefer in die Taschen und ging weiter. Wir näherten uns der Metrostation. Ich wurde langsamer, um etwas Zeit zu schinden.
»Seid ihr verdeckte Ermittler?« Ich glaubte selbst nicht daran, gab mir aber Mühe, aufrichtig zu klingen. Sein plötzlicher Stimmungswandel hatte mich neugierig gemacht.
»So was Ähnliches.«
»Also so eine Art Sondereinsatzkommando?«
Er antwortete nicht.
»Das war wirklich mutig, dieser Sprung in die Seine.« Ich ließ nicht locker. »Hatte das Mädchen denn irgendwas mit dem Bandenstreit unter der Brücke zu tun?«, bohrte ich weiter.
»Darüber darf ich nicht sprechen«, sagte Vincent, den Beton zu seinen Füßen nicht aus den Augen lassend.
»Ja, klar. Sicher«, sagte ich gespielt unbedarft. »Bist du nicht ein bisschen zu jung für einen Polizisten?« Ich konnte das spöttische Grinsen auf meinen Lippen nicht verhindern.
»Ich hab doch gesagt, dass ich studiere«, wiederholte er und grinste mich unsicher an. Er wusste, dass ich ihm das nicht abkaufte.
»Ich verstehe schon. Also gut«, sagte ich dramatisch, »ich hab nichts gesehen. Ich hab nichts gehört.«
Vincent lachte, seine gute Laune kehrte zurück. »Kate, was machst du kommendes Wochenende?«
»Äh ... Ich hab noch nichts vor«, sagte ich und verfluchte insgeheim meine Wangen dafür, dass sie langsam rot wurden.
»Wollen wir was zusammen machen?«, fragte er mit einem so umwerfenden Lächeln, dass mein Herz für einen Moment zu schlagen vergaß.
Ich nickte, denn sprechen konnte ich beim besten Willen nicht.
Weil er mein Schweigen als Zögern deutete, fügte er schnell hinzu: »Also, jetzt kein offizielles Rendezvous oder so was. Nur ein bisschen abhängen. Wir könnten ... ein bisschen spazieren gehen. Zum Beispiel im Marais.«
Ich nickte noch einmal und brachte dann die folgenden Worte raus: »Das wär toll.«
»Gut, was hältst du von Samstagnachmittag? Bei Tageslicht. In der Öffentlichkeit. Eine absolut sichere Sache, selbst mit einem Typen, den du kaum kennst.« Er nahm seine Hände hoch, wie um zu beweisen, dass er nichts zu verbergen hatte.
Ich lachte. »Keine Sorge. Selbst wenn du zum SEK gehörst, hab ich keine Angst vor dir.« Kaum hatte ich den Satz ausgesprochen, wurde mir bewusst, dass ich genau das hatte: Angst. Zwar nur ein kleines bisschen, aber ich fragte mich, ob es das war, was mich zu ihm hinzog. Vielleicht hatte der Tod meiner Eltern meinen Selbsterhaltungstrieb nachhaltig gestört und nun lockte mich die Gefahr. Oder aber ich war dieser diffusen Aura von undurchdringbarer Distanziertheit verfallen, die er verströmte. Vielleicht sah ich auch eine Herausforderung in ihm. Was auch immer der Grund war,
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