Revenants Trilogie 01 - Von der Nacht verzaubert
nahm alle Kraft zusammen, um auszusprechen, was ich aussprechen musste. »Es geht nicht, Vincent. Ich kann nicht Ja sagen.«
In seinen Augen flackerte Schmerz, vielleicht sogar Verzweiflung, aber keine Überraschung. Er hatte mit dieser Antwort gerechnet.
»Ich sage aber auch nicht Nein«, fuhr ich fort und das wiederum entspannte ihn sichtlich. »Du musst mir allerdings noch ein paar Dinge versprechen, wenn wir wirklich zusammen sein wollen.«
Er lachte leise und sexy. »Du stellst Forderungen? Na, dann schieß los.«
»Ich möchte uneingeschränkten Zugriff.«
»Das klingt interessant. Zugriff auf was genau?«
»Auf Informationen. Ich kann das nicht, wenn ich nicht weiß, worauf ich mich einlasse.«
»Musst du sofort alles wissen?«
»Natürlich nicht. Aber ich möchte nicht das Gefühl haben, dass du mir irgendwas verheimlichst.«
»In Ordnung. Solang das für uns beide gilt.«
Ein kleines Lächeln stahl sich auf seine perfekt geformten Lippen. Ich musste wegsehen, damit ich nicht den Faden und die Beherrschung verlor.
»Ich möchte vorher wissen, wann wir uns nicht sehen können — ich meine, wann du diese Tiefschlafsache da machst. Sonst frage ich mich dauernd, ob ich dich mit meiner Sterblichkeit vergrault habe. Oder mit meiner Fragerei.«
»Einverstanden. Das lässt sich auf jeden Fall einrichten, wenn alles normal verläuft. Wenn natürlich etwas Außerplanmäßiges dazwischenkommt ...«
»Was denn zum Beispiel?«
»Weißt du noch, wie wir jung bleiben?«
»Oh, stimmt.« Das schreckliche Bild, wie Jules vor die U-Bahn gesprungen war, erschien vor meinem geistigen Auge. »Du meinst, für den Fall, dass du jemanden rettest.«
»Dann würde ich dich von einem meiner Anverwandten benachrichtigen lassen.«
Das Wort hatte ich nun schon ein paar Mal gehört. »Warum nennst du sie Anverwandte ?«
»So nennen wir uns untereinander schon immer.«
»Klingt ziemlich altmodisch, aber okay«, sagte ich etwas nachdenklich.
»Sonst noch was?«, fragte er wie ein Schuljunge, der nach einem Streich auf seine verdiente Strafe wartet.
»Ja. Das muss nicht jetzt sofort sein, aber ich müsste dich irgendwann meiner Familie vorstellen.«
Vincent lachte laut los. Es klang so ehrlich und erleichtert, dass es mich ein bisschen erschreckte. Er nahm mich in die Arme und sagte: »Kate, ich wusste, dass du altmodisch bist. Ein Mädchen ganz nach meinem Geschmack.«
Für ein paar Sekunden versank ich in dieser Umarmung, dann löste ich mich von ihm und sah ihn so ernst ich konnte an. »Ich kann dir nichts versprechen, Vincent. Nur ein weiteres Treffen.«
Plötzlich hatte ich das Gefühl, als würde mein altes Brooklyner Ich — aus der Zeit vor dem Unfall — meinem neuen Ich gegenüberstehen, das vor einem Jahr gezwungen worden war, im Schnellverfahren erwachsen zu werden. Mein altes Ich, das noch nicht die Verletzungen der Tragödie trug. Ich war beeindruckt davon, mich neben diesem umwerfend schönen jungen Mann sitzen zu sehen und diese Worte sagen zu hören. Wie hatte ich mich nur so schnell in einen so vernünftigen Menschen verwandeln können? Wie konnte ich hier sitzen und stoisch meine Bedingungen für etwas vortragen, das ich mir mehr als alles andere auf Erden wünschte?
Selbstschutz. Dieses Wort kam mir in den Sinn und ich wusste, dass ich das Richtige tat. Mein gesamtes Leben war in Einzelteile zerfallen, als ich meine Eltern verloren hatte. Ich wollte mich Vincent nicht öffnen und dabei Gefahr laufen, mich in ihn zu verlieben und ihn dann auch zu verlieren. Tief in mir drin wusste ich, dass ich den Verlust meiner Eltern schon kaum überstanden hatte. Einen weiteren würde ich vielleicht nicht überleben.
» G ehen wir ein Stück«, sagte Vincent, half mir auf und bot mir seinen Arm zum Unterhaken. Wir spazierten weiter und betrachteten die vorbeifahrenden Boote, die grüne Wellen mit Schaumkronen hinter sich herzogen, die bald darauf gegen das Ufer schlugen.
»Wie bist du ... gestorben? Ich meine das erste Mal«, fragte ich.
Vincent räusperte sich. »Ist es in Ordnung für dich, wenn ich dir das ein andermal erzähle?«, fragte er und klang, als wäre es ihm unangenehm. »Ich möchte dich nicht mit Geschichten aus einer Zeit vergraulen, in der ich noch ganz anders war als heute — nicht bevor du Gelegenheit dazu hattest, mich so kennenzulernen, wie ich jetzt bin.« Er lächelte mich unbeholfen an.
»Dann muss ich dir also auch nichts über meine Vergangenheit erzählen?«, schoss ich
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