Revenants Trilogie 01 - Von der Nacht verzaubert
»Nackte Soldaten. Interessant.«
»Ah, die Amphore. Sie ist ungefähr einhundert Jahre jünger als der Kouros und zeigt zwei Städte, die sich bekriegen, angeführt von ihren Numina .«
»Ihren was?«
» Numina. Im Singular Numen. Sie gehören zur römischen Mythologie. Sie waren halb Mensch, halb Gott. Konnten verwundet werden, aber nicht getötet.«
»Und weil sie Götter sind, kämpfen sie nackt?«, fragte ich. »Eine Rüstung brauchen sie nicht? Klingt nach ziemlichen Angebern.«
Papy kicherte.
Numina , dachte ich und murmelte ganz leise: »Klingt so ähnlich wie Numa.«
»Was hast du da gesagt?«, fragte Papy erschrocken und riss seinen Blick von der Vase los, um mich anzustarren. Er sah aus, als hätte jemand ihn geohrfeigt.
»Ich habe gesagt, Numina klingt so ähnlich wie Numa.«
»Woher kennst du dieses Wort?«, fragte er.
»Keine Ahnung ... aus dem Fernsehen vielleicht?«
»Das wage ich stark zu bezweifeln.«
»Ich weiß es nicht, Papy«, sagte ich und drehte mich weg, sowohl um seinem eisernen, forschenden Blick zu entkommen als auch um etwas anderes zu finden, über das wir sprechen konnten. »Ich hab’s vielleicht mal in einem alten Buch gelesen.«
»Hm«, nickte er und schien meine vage Erklärung zu akzeptieren, doch sein besorgter Gesichtsausdruck blieb.
Ich vermute, Papy kannte jede antike Gottheit und jedes Monster, das jemals existiert hatte. Bei nächster Gelegenheit musste ich Vincent berichten, dass Revenants — oder zumindest ihre verbrecherische Unterart — offensichtlich nicht so sehr ›den Ball flachhielten‹, wie sie dachten. »Danke, dass du mich gefragt hast, ob ich mal wieder vorbeikomme, Papy«, sagte ich und wechselte nur zu gern das Thema. »Wolltest du etwas Bestimmtes mit mir besprechen oder nur über Vasen und Statuen plaudern?«
Papy lächelte matt. »Ich wollte mich erkundigen, was zwischen dir und Georgia los ist. Ist das nur ein Gefecht«, fragte er mit einem Seitenblick auf die Vase, »oder eine ausgewachsene Kriegssituation? Nicht, dass es mich wirklich etwas angeht. Ich frage mich einfach nur, wann ihr mal einen Waffenstillstand beschließt und endlich wieder Frieden einkehren kann in unserem schönen Zuhause. Wenn das noch länger so weitergeht, dann trete ich eine dringende, unvorhergesehene Dienstreise an.«
»Es tut mir so leid, Papy«, sagte ich. »Das ist alles meine Schuld.«
»Ich weiß. Georgia hat mir erzählt, dass du und ein paar junge Männer sie einfach in einem Restaurant zurückgelassen habt.«
»Ja. Es gab einen Notfall. Wir mussten sofort aufbrechen.«
»Und es blieb nicht genug Zeit, Georgia zu holen und mitzunehmen?«, fragte er skeptisch.
»Nein.«
Papy hakte sich bei mir ein und begleitete mich zurück in den vorderen Teil des Geschäfts. »Das klingt irgendwie nicht nach dir, princesse. Und es spricht nicht gerade für deine männliche Begleitung.«
Ich konnte nur zustimmend nicken, zu meiner Verteidigung fiel mir auch nichts ein.
Als wir an der Eingangstür ankamen, sagte er: »Sei vorsichtig bei der Wahl deiner Freunde, chérie. Nicht jeder hat ein so gutes Herz wie du.«
»Es tut mir wirklich leid, Papy. Ich kümmere mich darum und werde sofort mit Georgia sprechen, wenn ich nach Hause komme.« Ich umarmte ihn, verließ das dunkle Geschäft und musste blinzeln, als ich ins Sonnenlicht hinaustrat. Bei einem Blumenladen in der Nähe kaufte ich einen Strauß Gerbera und ging damit nach Hause, um meiner Schwester ein letztes Friedensangebot zu machen. Keine Ahnung, ob es an den Blumen lag oder sie einfach bereit war, zu vergeben und zu vergessen. Diesmal jedenfalls nahm sie meine Entschuldigung an.
Anstatt mich davon abzubringen, Vincent sehen zu wollen, machten Papys mahnende Worte mich nur noch ungeduldiger, ihn endlich wieder in die Arme zu schließen. Fünf lange Tage hatten wir uns nun nicht gesehen, und obwohl wir am Wochenende verabredet waren und in der Zwischenzeit häufig telefoniert oder uns SMS geschrieben hatten, kamen mir diese fünf Tage vor wie eine Ewigkeit. Nachdem Georgia und ich endlich wieder Frieden geschlossen hatten, wollte ich ihn anrufen. Ich hatte gerade das Handy hervorgeholt, als sein Name im Display erschien und das Telefon zu klingeln begann.
»So ein Zufall, ich wollte dich auch gerade anrufen«, sagte ich lachend.
»Ja, sicher«, seine Stimme drang samtig in mein Ohr.
»Wie geht es Ambrose? Ist er wieder auf den Beinen?«, fragte ich. Auf meinen expliziten Wunsch hin hatte Vincent mich
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