Revenants Trilogie 01 - Von der Nacht verzaubert
mich daran zu erinnern, wie Vincent mir die Numa in dem Restaurant im Marais beschrieben hatte. »Und man erzählt sich, dass seine Partner an illegalen Geschäften beteiligt sind.«
»Was für illegalen Geschäften?«
»Prostitution, Drogen ...«
»Ach, verschon mich!« Georgia rollte mit den Augen. »Du hast ihn doch selbst kennengelernt. Lucien ist Unternehmer. Ihm gehören Bars und Klubs in ganz Frankreich. Warum sollte er in so etwas verwickelt sein?« Sie sah mich angewidert an.
»Ich glaube wirklich nicht, dass Vincent sich das ausdenken würde«, sagte ich.
»Ach nein?«, fragte sie bitter. »Woher kennt er ihn denn?«
»Er kennt ihn nicht persönlich«, log ich. Das Letzte, was ich wollte, war eine Verbindung zwischen Lucien und Vincent herzustellen, in deren Mitte Georgia und ich standen. »Er kennt nur den Ruf, der ihm vorauseilt.«
Ich zögerte, weil ich nicht wusste, wie weit ich gehen sollte. »Er hat gesagt, dass Luciens Partner sogar ein paar Morde auf dem Gewissen haben sollen.«
Für einen Augenblick sah Georgia schockiert aus, dann schüttelte sie den Kopf. »Ich kann mir gut vorstellen, dass es in Luciens Berufswelt zu dem einen oder anderen dubiosen Geschäft kommt. Das lässt sich sicher nicht immer vermeiden in dieser Branche. Aber zu behaupten, dass er mit Mördern kooperiert ... Tut mir leid, aber das kann ich einfach nicht glauben.«
»Das ist schon in Ordnung«, sagte ich. »Du musst es ja nicht glauben. Aber musst du ihn denn wirklich Wiedersehen?«
»Kate, wir sehen uns doch kaum. Das ist nichts Ernstes. Wir treffen uns nie privat, immer nur, wenn wir ausgehen. Ich bin mir sicher, dass er noch andere Sachen laufen hat. Genau wie ich. Das ist ja keine große Sache.«
»Wenn es sowieso keine große Sache ist und sogar die Gefahr besteht, dass er in krumme Dinge verwickelt ist, kannst du ihn dann nicht einfach ... ich meine ... kannst du ihn nicht einfach fallen lassen? Bitte, Georgia. Ich mach mir sonst Sorgen um dich.«
Für den Bruchteil einer Sekunde, weil sie den flehenden Ton in meiner Stimme gehört hatte, sah sie unschlüssig aus. Dann legte sich ein sturer Ausdruck auf ihr schönes Gesicht. »Ich muss ihn nicht Wiedersehen. Aber ich werde es tun. Ich glaube kein einziges Wort von dem, was du und Vincent über Lucien gesagt habt. Warum mischt ihr euch überhaupt plötzlich in mein Privatleben ein?«
Mit nichts, was ich jetzt noch sagen würde, hätte ich sie umstimmen können. Was sollte ich auch noch sagen? »Mein Freund hasst deinen Freund, weil Vincent ein guter Zombie und Lucien ein böser Zombie ist?« Mir blieb nichts anderes übrig, als darauf zu hoffen, dass sie das Interesse an Lucien verlieren würde, bevor etwas Schlimmeres passierte.
Jetzt war sie richtig wütend. Ihre niedlichen Sommersprossen verschwanden fast, weil sie vor Zorn rot anlief. Ich kannte meine Schwester. Wenn sie an diesem Punkt war, konnte man mit ihr nicht mehr vernünftig reden. Ich erhob mich, doch sie kam mir zuvor, sprang auf und öffnete ihre Zimmertür. Sie deutete auf den Flur und sagte: »Verschwinde.«
A ls ich am nächsten Morgen zum Frühstück erschien, war Georgia bereits zur Schule gefahren. Hinter seiner Zeitung fragte Papy müde: »Ist das jetzt euer vierter Weltkrieg oder schon der fünfte?«
Auch zwischen den Unterrichtsstunden sah ich sie nicht und nach Schulschluss war sie auch schon verschwunden. Meine Schwester mied mich, und das tat verdammt weh. Dabei hatte ich das Richtige getan, als ich sie vor Lucien warnte. Vincent sagte, dass ihr vielleicht nichts passieren würde. Aber unter diesen Umständen war schon ein »vielleicht« zu viel.
Von der Schule aus fuhr ich gleich zu Vincent und schrieb ihm rechtzeitig eine SMS, sodass sich das Tor schon öffnete, als ich davorstand. Er erwartete mich. Auf seinem Gesicht lag derselbe beunruhigte Gesichtsausdruck wie am Vorabend.
»Und, gibt es was Neues?«, fragte ich auf dem Weg zu seinem Zimmer.
»Nein«, antwortete er, während er mir die Tür öffnete und höflich wartete, bis ich eingetreten war. Dann folgte er mir erst. Es hat schon Vorteile, einen Freund zu haben, der aus einem anderen Zeitalter stammt, dachte ich insgeheim. Auch wenn mir die Gleichberechtigung sehr viel bedeutete, so konnte man als Gentleman dennoch bei mir hoch punkten.
»Wir haben die ganze Nacht lang gesucht. Irgendwie scheint es, als hätten sich alle Numa der Stadt auf einmal in Luft aufgelöst. Wir waren in jeder Bar und jedem
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