Rheines Gold
gezogen?«
»Das war doch nicht tief, nur weil ich ausgerutscht bin...«
»Schluss, ihr beiden!«
»Ist doch wahr!«, murrte Crispus leise, aber gab dann doch mit einem schelmischen Grinsen nach. »Darf ich das behalten, Mama?«, fragte er und wies auf das Goldklümpchen.
Fulcinia nahm es in die Hand, betrachtete das unregelmäßige, glitzernde Stück Metall und belehrte ihn mit sanfter Stimme: »Das Gold, Kinder, gehört, wie alle Schätze des römischen Bodens, dem Kaiser Traian. Die Leute, die es aus dem Rhein waschen, liefern es an die staatlichen Sammelstellen ab. Es dient dazu, Münzen zu prägen, mit denen der Caesar seine Magistrate, Legionen und Feldherren bezahlt, um uns zu schützen.«
»Und um sich goldene Rüstungen machen zu lassen.«
»Das auch.«
»Und Schmuck für Plotina Pompeia.«
»Auch das.«
Fulcinia legte das Goldklümpchen wieder auf den Tisch.
»Kann er nicht auf das kleine Stückchen verzichten?«
»Er könnte es, wenn ihr die Einzigen wäret, die so denken. Aber wenn alle so handelten, gäbe es bald gar kein Gold mehr
für ihn.«
»Und alle Leute wären reich und könnten sich goldene Rüstungen machen.«
»Und niemand hätte mehr Münzen, um sich Brot zu kaufen.«
»Dann müssen wir das Gold also abgeben?«
»Im Prinzip ja.«
»Da.«
Crispus nahm das Gold und drückte es Fulcinia in die Hand. Diese nickte zustimmend, schränkte aber dann mit einem kleinen Lächeln ein: »Aber manchmal muss man wohl abwägen. Es ist ein sehr kleines Stück, eher so etwas wie ein Andenken an einen schönen, sonnigen Aprilnachmittag, würde ich sagen. Behaltet es, Kinder.«
»Oh, danke, Tante Dignitas.«
Crispus schloss seine schmutzige Faust glücklich um das Klümpchen, Maura hingegen hatte das inzwischen getrocknete Lederbeutelchen in die Hand genommen, betrachtete es neugierig und zupfte dann an dem Bändchen.
»Was ist da denn drin, Mama? Hoppla, das ist ja Schmuck! Oh, und ist genauso gemacht wie deine Halskette!«
»Leg es hin, Maura. Es gehört nicht mir. Es ist aus den Wasserleitungen gespült worden.«
»Wie der Hase?«
»Wie der Hase!«
»Wann?«
Rufina erzählte ihren Kindern die Geschichte von der verstopften Wasserleitung und hatte gebannte Zuhörer. Maura hielt die ganze Zeit über die zierlichen Ohrringe in der Hand und sah sie mit leuchtenden Augen an.
»O Mann, eine tote Leiche im Kanal. Wie ist der da reingekommen? Ist der umgebracht worden?«
Crispus war höchst angetan von der Vorstellung und entwickelte aus dem Stegreif einige äußerst gruselige Szenarien, die von wilden Verfolgungsjagden, Meuchelmördern und Golddiebstählen handelten.
»Lass es gut sein, mein Junge. Ihr habt gehört, was eure Mutter dazu weiß. Wenn sich etwas Neues ergibt, werden wir es erfahren. Nun seht zu, dass ihr saubere Kleider findet, und wascht euch gründlich!«
»Ja, Tante Dignitas!«
Beide Kinder gaben Rufina einen schnellen Kuss auf die Wange und hüpften aus dem Raum. Sie sah ihnen kopfschüttelnd nach und meinte: »Sie sollten dich nicht immer Tante Dignitas nennen.«
»Warum nicht? Ich bin nun mal eine würdevolle Person.«
»Das bist du wirklich.«
»Was wirst du mit den Ohrringen machen?«
»Vermutlich sollte ich sie dem Magistrat überbringen. Ich könnte mir denken, dass dieser Tote sie irgendwie bei sich trug. Mag sein, sie waren für ihn von Bedeutung.«
Fulcinia betrachtete die kleinen Schmuckstücke ebenso nachdenklich wie Maura zuvor.
»Ja, möglicherweise.«
»Was mich daran erinnert, dass ich wohl meinen Schmuck verkaufen muss, wenn sich nicht ein Wunder ereignet.«
»Nein, Rufina!«
Fulcinia konnte, wenn sie wollte, sehr bestimmend sein, auch wenn sie nie ihre Stimme hob oder anders als nur leise und ruhig sprach.
»Die Lehrer für die Kinder, die Bücher und Schriftrollen...«
»Ihr Großvater wird ab jetzt so glücklich sein, das alles zu bezahlen. Ich werde ihn darauf hinweisen.«
Einen wundervollen Augenblick lang genoss Rufina die Vorstellung, wie Fulcinia maior den knurrigen Crassus mit milder Strenge davon überzeugte, die Ausbildungskosten für seine Enkel übernehmen zu dürfen. Sie zweifelte keinen Augenblick daran, dass es ihr gelingen würde.
»Einer der Heizer hat einen Bruder, der uns das Holz billiger liefern kann. Vielleicht solltest du dir mal die Konditionen nennen lassen.«
»Ja, das werde ich, und ich könnte vormittags auch selbst das Bad beaufsichtigen, Barbaria ist so nachlässig. Vielleicht könnte man auch noch einen
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