Rheines Gold
Rufina etwas beiseite und vertraute ihr an, was Valerius Corvus und er für Maurus planten.
Kurz darauf wurde ein Diener gerufen, der sie nach Hause geleiten sollte, und als sie sich verabschiedete, konnte sie schon wieder ein kleines Lächeln auf ihre Lippen zaubern.
31. Kapitel
Der bittersüße Duft der Sehnsucht
Was man mühelos bekommt,
ist eine schlechte Nahrung für die Liebe.
Man muss unter die frohen Liebesspiele
ab und zu eine Zurückweisung einstreuen.
OVID, ARS AMATORIA
»Und dann hat er gesagt, er gibt mich frei, Fulcinia. Damit ich Silvian heiraten kann.«
»Mh.«
»Ich habe gesagt, wir müssen die Bedingungen der Scheidung aushandeln. Aber ich will Silvian gar nicht heiraten.«
»Ich weiß.«
Rufina und Fulcinia saßen in geflochtenen Sesseln auf der von Säulen umgebenen Veranda und betrachteten das Leben auf der sonnigen Straße, das an diesem Maitag von frühlingshafter Heiterkeit geprägt war. Kinder spielten juchzend mit Reifen und Murmeln oder jagten einander in wilden Römer- und-Barbaren-Spielen um die Häuserecken, Mädchen in leichten Tuniken und bunten Obergewändern ließen sich von der Blumenfrau Kränze winden und schmückten unter Kichern ihre Haare damit. Männer, die geschäftig vorübereilten, hielten in ihrem Schritt inne, um ihnen bewundernde Blicke zu schenken, und manches Scherzwort flog zwischen ihnen hin und her. Die Luft schien von Liebeslust zu schwirren.
»Fulcinia, ich möchte, dass Maurus bei mir bleibt. Aber er ist offensichtlich davon überzeugt, Silvian würde mein ganzes Glück bedeuten.«
»Sind Männer so dumm?«
»Sieht ja so aus, nicht?«
Fulcinia legte die Hände im Schoß zusammen und versank in Nachdenken. Rufina fragte sich wieder einmal, welch unerwartete Gedankengänge und Schlüsse sie vollzog.
»Also«, begann sie und runzelte ein wenig die Stirn. »Also, eigentlich darf ich ja nicht darüber sprechen. Aber ich denke, besondere Situationen bedürfen besonderer Maßnahmen.«
Rufina spitzte die Ohren und in ihre Augenwinkel schlich sich ein Lächeln. Fulcinia enttäuschte sie nie.
»Besondere Maßnahmen, ja, das habe ich mir auch schon gedacht. Aber welche?«
»Eine Priesterin oder ein Priester hat gewöhnlich Hilfsmittel, um die Menschen dazu zu bringen, sich dem Göttlichen zu öffnen. Man bereitet mit ihnen den Weg zum Glauben - oder, in manchen Fällen - zur Selbsterkenntnis vor. Das ist es ja wohl, was du bei deinem Ehemann erreichen möchtest. Nicht wahr?«
»Na ja, Maurus ist nicht eben ein gläubiger Mensch. Ich habe den Eindruck, er dient den Göttern nur aus Gewohnheit. Natürlich bringt er an den entsprechenden Feiertagen die passenden Opfer und spricht die Worte, die sie gerne hören wollen. Aber ob er wirklich ihren Beistand erfleht, weiß ich nicht.«
»Ja, er ist nicht leicht zu beeindrucken. Das ist mir völlig klar. Aber ich denke, hier liegt der Fall anders. Sieh mal, wer wirklich in Not ist, dessen Gebet wird ganz selbstverständlich von großer Eindringlichkeit sein, und seine Hingabe an die Gottheit ist so gut wie vollständig. Du hast selbst erkannt, das flehende Erheben der Hände ist uns angeboren. Auch wenn Maurus in seinem sonstigen Leben nüchtern und ohne ihren Beistand zurechtkommt, in Verwirrung wird auch er Halt suchen, und den Halt versprechen uns die Götter.«
»Aber er ist nicht in Not.«
»Doch, ich denke schon. Er wird zutiefst unglücklich darüber sein, dich freigegeben zu haben.«
»Bist du sicher?«
»Nun, die letzten Nächte...«
Rufina zuckte mit den Schultern.
»Das hat nicht immer etwas mit Liebe zu tun, weißt du.«
»Mh.« Sie betrachtete ihre ruhigen Hände. »Trotzdem!«, sagte sie dann. »Er mag dich. Er mag auch die Kinder sehr. Es wird ihm schwer fallen, euch zu verlassen. Und«, sie betrachtete Rufina wieder mit ihrem feinen Lächeln, »er ist wahrscheinlich wegen deines Verhältnisses zu Silvian verletzt oder eifersüchtig und deshalb von seinem Edelmut, dich für ihn freizugeben, überwältigt.«
Rufina konnte es nicht verhindern, sie musste glucksen. Ihr Gesicht hellte sich auf, und sie meinte: »Ja, daran klammert er sich jetzt wohl. Weil er damit meinem angeblichen Glück nicht im Wege steht.«
»Ganz richtig. Darum muss er selbst zu der Erkenntnis kommen, dass er lieber bei dir bleiben möchte. Erkenntnisprozesse kann man aber unterstützen. Unsere ganzen Rituale sind darauf ausgerichtet.«
»Ich kann schwerlich eine Zeremonie durchführen und ihn mit
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