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Rheingau-Roulette

Rheingau-Roulette

Titel: Rheingau-Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sia Wolf
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Kirschenlandes, sind sie in jedem Frühling gefahren. Auf buckeligen Fahrradwegen, am Rande staubiger Ackerflächen, immer entlang der Werra, auf der die bunten Paddelboote schwammen und Kinder ihre ersten Wassererfahrungen sammelten. An den kurvigen Landstraßen standen überall Verkäufer in kleinen Buden, die Knubberkirschen in schmalen Kisten anboten. Die Kistengröße war genau passend für den Gepäckträger ihrer Räder. Sie kauften immer zwei Behälter: eine Kiste für die Tour und eine Kiste für Alexandras  Mutter, die hessischen Schmandkuchen mit Kirschen buk - falls die Cousinen noch genug Kirschen mit nach Hause brachten.
    Ein heiserer Schrei riss Alexandra aus ihren Gedanken. Zwischen den Zweigen kleiner Birken leuchtete das neongrüne Jäckchen. Sie folgte der kleinen Kurve, die der Weg machte, und sah die jammernde junge Frau auf dem Boden liegen, direkt neben einer Baumwurzel, die in die Höhe ragte. Alexandra stoppte. „Was ist passiert?“
    „Ich bin über die Wurzel gestolpert, daran hängen geblieben und mit dem linken Fuß umgeknickt.“
    „Ach herrje, hast du dir wehgetan?“
    „Au, verflixt. Ja, ich hab mir wehgetan. Ich komme nicht allein hoch. Kannst du mir helfen?“ Die Frau sah sie bittend von unten an.
    „Na klar, ich versuch´s. Komm, auf geht´s.“ Alexandra fasste sie an der rechten Hand und schob ihr die andere Hand unter den linken Ellbogen. „Auf drei. Eins, zwei ...“, sie zog die schmale Frau hoch, „drei!“
    „Aua!“
    „Ooops, dein Fuß. Tut mir leid. Kannst du ihn belasten?“
    „Nein, das tut weh. Verdammt.“ Sie hielt sich an Alexandra fest und schaute sie mit gequältem Lächeln an. „Ich wollte dich ja schon die ganze Zeit fragen, ob wir nicht mal ne Runde zusammen laufen wollen. Aber so hatte ich mir das nicht vorgestellt. Jetzt fürchte ich, kann ich dich nur fragen, ob wir mal ne Runde zusammen humpeln wollen. Ich glaube, du wirst mich lahme Ente erst mal so unterstützen müssen!“
    Alexandra musste lachen.
    „Mach ich. Kein Problem. Diese Baumwurzel hätte mich auch zu Fall bringen können, so in Gedanken verträumt, wie ich heute laufe!“
    Die junge Frau rieb sich den Dreck von ihrer bunten Jacke und den Händen. „Meistens läuft es sich ganz gut, wenn man in Gedanken verträumt ist. Sie reichte Alexandra die Hand. Ich bin übrigens Gina.“
    „Hi. Ich bin Alexandra. Kurzform Alex. Bist du Italienerin?“
    Gina lachte. „Nein. Alle denken immer gleich an die Lollobrigida. Allerdings fällt Männern meistens gleich auf, dass der Vergleich hinkt.“ Sie wies auf ihre Oberweite, die angepasst zu ihrer zierlichen Figur eine kleine Körbchengröße aufwies. Alexandra grinste.
    „Gina ist übrigens auch nur die Kurzform. Richtig heiße ich Virginia.“
    „Na dann komm Gina, du bunter Vogel. Wollen wir mal den kürzesten Weg nach Hause nehmen.“
    „Ich schätze, das ist die Richtung, aus der ich gekommen bin, was meinst du?“ Sie zeigte auf den Weg.
    „Ganz sicher ist das der kürzeste Weg.“ Alexandra überlegte einen Moment. „Hm, wie machen wir das am besten mit dir?“
    „Ich lege meinen Arm um deine Schultern und dann humpeln wir los! Glücklicherweise sind wir ja ungefähr gleich groß, das müsste klappen, oder?“
    Alexandra spürte Ginas Arm auf ihren Schultern und so versuchten sie, sich langsam und Kräfte sparend vorwärts zu bewegen.
    „Halt, das geht so nicht.“ Sie nahm Ginas Arm herunter und machte ein paar Schritte in den Wald. Als sie zurückkam, hielt sie einen Ast in der Hand.
    „Damit kannst du dich auf der rechten Seite abstützen, dann können wir besser humpeln.“
    Sie brauchten fast eine Dreiviertelstunde, bis sie am Ausgangspunkt ihrer Laufstrecke ankamen. Gina hatte ihr Auto, einen metallic blauen Peugeot auf dem Parkplatz abgestellt. Umständlich kramte sie ihren Autoschlüssel aus der Jacke. „Würdest du mich zum Arzt fahren?“
    „Natürlich. Wo ist dein Arzt?“
    Sie brachte Gina zum Arzt, dessen Praxis sich unweit des Ortskerns befand. Gina reichte ihr die Hand und sagte: „Vielen Dank für deine Hilfe, Alex. Ohne dich würde ich da im Wald vor mich hin rotten. Ich werde mich gelegentlich revanchieren. Vielleicht können wir ja mal zusammen was trinken gehen. Oder essen, wie du magst.“
    „Gern. Ich geb dir meine Nummer. Ruf mich an, wenn es dir besser geht. Wohnst du auch hier in Rangsdorf?“
    Alexandra suchte in ihrer Jacke nach einem Zettel und schrieb ihre Telefonnummer auf.
    „Nein, im

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