Rheingau-Roulette
grinste.
Alexandra fand sein Grinsen diabolisch. Bösartig. Gehässig.
„Und, was hat er erzählt?“ Sie versuchte gelassen und unbeteiligt zu wirken. Entspann dich, hatte Caro gesagt. Aussichtslos.
Arno grinste noch breiter. „Er hat gesagt, er hätte gestern noch viel Spaß mit dir gehabt. Besonders gut hätten ihm deine Tanzvorführungen gefallen. Und er hat gesagt, dass du darauf bestanden hättest, von ihm bekocht zu werden. Weil du seine Küche als Demonstrationsfläche brauchst. Irgendwas von Putzen und Bügeln hat er gesagt. Den Teil habe ich nicht so ganz verstanden, aber er wollte es nicht genauer erklären.“
Er sah sie belustigt an. „Kannst du Licht ins Dunkel bringen? Willst du als Putzfrau bei Hannes anheuern?“
Hilflos japsend saß Caro am Tisch. Ihr liefen die Lachtränen über die Wangen. Alexandra schob den Teller vor sich weg, schlug die Arme über dem Kopf zusammen und ließ ihn auf den Tisch fallen.
„Ich möchte bitte sterben. Sofort. Bitte!“
Alexandra öffnete ihren Briefkasten. Die Landluft, die über dem Ort lag und sie unvermittelt traf, war die penetrante Beize eines Schweinestalls, der seine Luken geöffnet hatte, um frische Luft hinein und die verbrauchte Tierluft nach draußen zu transportieren. Alexandra wurde übel von dem Gestank.„Mist. Ärgerlicher Mist!“
Es lag nur ein Brief im Kasten, der aufgrund des zarten Grüntons des Umschlags als privater Brief zu identifizieren war. Warum kommt diese blöde Bauernkasse nicht in die Gänge und genehmigt endlich ihre Praxis? Die anderen Verträge waren unter Dach und Fach, nur die Ersatzkassen zierten sich noch. Zornig riss sie den Brief ohne Absender auf. In großen, handgeschriebenen runden Buchstaben stand da:
Liebe Alexandra,
traditionsgemäß findet die Gartenparty von mir und Vera im Juni statt. Ich würde mich freuen, wenn du in diesem Jahr auch dabei wärst. Ansonsten alles wie immer: Ein Beitrag fürs Buffet wird erbeten, Getränke vom Haus. Termin ist am Samstag, 17. Juni und wir starten um 19.00 Uhr - wir freuen uns auf dich,
Liebe Grüße von Andrea + Vera.
PS: falls du Fußballfan bist: An diesem Tag spielt nicht die deutsche Elf.
PPS: ... den Pfarrer hab ich auch eingeladen...
Alexandra grinste. Andrea. Seit der spontanen Geburtstagsparty für das Neugeborene bei Frank mochte sie Andrea ganz gut leiden. Sie hatte einen staubtrockenen, bisweilen schrägen Humor, der keine politisch korrekten Barrieren akzeptierte. Ihre Freundin Vera hatte sie schon bei Caros Party gesehen, aber noch nicht weiter mit ihr gesprochen. Caro hatte nur erwähnt, dass sie Witwe sei, und ohne Andreas Unterstützung nicht gut dran wäre.
Sie seufzte. Schade. Sie würde die Einladung ablehnen müssen. Die Vorstellung, auf der Party Hannes zu begegnen, stürzte sie in trübe Gedanken. Die Peinlichkeit einer Begegnung würde sie sich gern ersparen. Zumindest im Moment. Es war ihr klar, dass sie auf Dauer der Situation nicht entkommen konnte und ihm früher oder später wieder begegnen würde. Sie hatte ja noch ihre gesamten Umzugskisten und Möbel in seiner Scheune. Aber je später dieses Zusammentreffen in der Zukunft lag, umso besser wäre es für sie. Vielleicht hätte er die Details jenes Abends, an die sie selbst sich überhaupt nicht mehr erinnern konnte, vergessen.
Sie schüttelte hoffnungslos den Kopf. Nein. Niemals.
Männer vergessen diese Art von Details niemals. Sie würde damit bis ans Ende ihrer Tage leben müssen. Sie stöhnte. Scheiß Rheingau-Roulette. Wie war sie nur auf diese bescheuerte Idee gekommen?
Sie verschloss frustriert den Briefkasten und ging ins Haus. Dumpf stand die Luft in der Wohnung. Egal, wie oft Alexandra lüftete, nach einigen Stunden mit geschlossenen Fenstern nahm das Haus seinen alten, brackigen Geruch wieder an. Die Fenster zu schließen und die Läden vorzuziehen, um die Hitze auszusperren, war nicht möglich. Sie konnte sich bei dem heißen Wetter nur zwischen einem sehr warmen Haus mit etwas Frischluft oder aber einem warmen Haus, das stank, entscheiden. Sie musste sich endlich festlegen, ob sie das Haus renovieren lassen wollte oder nicht. Sie sah auf die dunkelfarbigen, nackten Wände des Eingangsbereiches. Im Winter musste dieses Haus eine Katastrophe sein. Eine stinkige alte Katastrophe.
Sie setzte sich auf ihre Terrasse und begann die To-do-Liste zu bearbeiten, die sie für ihre Praxis erstellt hatte. Der Eröffnungstermin würde nunmehr in
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