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Rheinmaerchen

Rheinmaerchen

Titel: Rheinmaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Brentano
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gehängt, und die Kinder hätten sie noch ausgepfiffen.
    Nun hatte Rattenkahl noch einen kleinen Bruder, der Mausohr hieß, dem wurde das auch erzählt, und der kam darüber in einen solchen Zorn, daß er gar nicht wußte, was er anfangen sollte, und man mochte ihm sagen, was man wollte, so schrie er immer: »Die bösen Kinder, die meine Mutter und meinen Bruder ausgepfiffen, will ich strafen.« Das trieb er so lange, bis er endlich einmal einen vornehmen General zu sehen kriegte, der ihm eine tiefe Verbeugung machte; da schrie ihm Mausohr zu: »Mit Verbeugungen ist mir nicht gedient, solange meine Mutter und mein Bruder zu Mainz ausgepfiffen werden von den Straßenjungen.« Als die Soldaten, die hinter dem General so schön gerade wie die Wachspuppen herzogen, dies hörten, fingen sie an mit dem General zu zanken und fragten ihn, warum er sie immer und ewig herumspazieren führe; er solle sie nach Mainz bringen, daß sie ihren Fürsten abholen könnten. Der General aber sagte ihnen: »Ihr seid alle meine Kinder; wenn unser nur mehr sind, so soll es schon besser werden; laßt uns nur abwarten, wie die Courage dieses Jahr gerät.« – Aber die Soldaten waren so wild und tapfer, daß sie mannshoch in die Höhe sprangen, und einige stellten sich auf den Kopf und präsentierten mit den Füßen das Gewehr.
    Als die Vornehmsten des Landes dieses sahen, beschlossen sie, die Soldaten einstweilen an Ketten zu legen, daß sie noch immer wütiger würden, um sie dann zur rechten Zeit nach Mainz zu führen; dies ließen sie dem kleinen Prinz Mausohr durch seinen Hofmeister sagen und zugleich, daß er, wenn er sich gut aufführe, mitziehen sollte, und hernach gar König werden.
    Mausohr schwieg still dazu und dachte sein Teil für sich. Er wartete, bis es Nacht war, und schnarchte von ganzem Herzen, daß der Hofmeister glaubte, er schlafe ganz fest, und auch einschlief.
    Da stand aber Mausohr leise auf, und nahm sich einige Stücke Brot und sein ABC-Buch mit, und schlich sich eilends der Stadt hinaus gegen Mainz zu.
    Er lief die ganze Nacht durch einen dicken Wald, und da er gegen Morgen auf eine Wiese kam, wodurch ein Bach floß, legte er sich ins hohe Gras, ein wenig zu schlafen. Kaum aber hatte er ein wenig geschlafen, als er durch ein großes Geschnatter erweckt wurde; er guckte sich um und sah einen Storch mit großen langen Beinen auf der Wiese anmarschiert kommen, und hinter ihm drein liefen viele viele Kinder, die sich um den Storch herumstellten, und ihre Lektion hersagten.
    Der Storch schrie: A-B: ab, B-A: ba, – Abba, und sofort schrieen es ihm die Kinder immer nach, und wenn eins nicht ordentlich antwortete, schlug er tüchtig mit seinem Schnabel drauf los, daß sie gewaltig schrieen.
    Dem Mausohr machte das viel Vergnügen, und er fing auf einmal an laut zu lachen, worauf die Kinder auch lachten: so daß der Storch ganz böse ward und tüchtig auf sie schlug; da fingen die Kinder alle an zu schreien: »Dort sitzt einer, der macht uns lachen.« – Da lief der Storch so schnell gegen den Prinzen Mauseohr, daß er über ihn stolperte und hinfiel, worüber die Kinder wieder sehr lachten; darüber ward der Storch nun dermaßen unwillig, daß er gewaltig zu klappern anfing und eben dem Prinzen Mausohr einen rechten Schlag mit dem Schnabel geben wollte; dieser hielt ihm aber sein ABC-Buch vor, worauf ein großer Storch abgebildet war, und da der Meister Langbein dies sah, geriet er in die größte Verwunderung und machte die lustigsten Sprünge um den Prinzen Mausohr. »Herr Storch!« sagte nun Mausohr, »sind Sie nicht böse auf mich, daß ich gelacht habe, aber es hat mich ein Gräschen in der Nase gekitzelt, und ich will Ihnen auch mein ABC-Buch schenken, auf welchem Sie so schön abgebildet sind.« Der Storch war hierüber sehr vergnügt und gab den Kindern Spieltag, die das kaum gehört hatten, als sie schnell und lustig in den Wald fortliefen.
    Nun unterredete sich der Storch recht artig mit Mausohr; dieser fragte ihn, wer ihn dann zum Schulmeister gemacht habe, und der Storch erzählte ihm: sein Vater sei hier im Lande auch Schulmeister gewesen, und sein Groß- und Urgroßvater auch; denn da er den Leuten die Kinder bringe, so müsse er sie ihnen auch unterrichten; denn die Bauern hierherum seien nie zu Haus und immer in der Fremde, Korn zu schneiden, so hüte er einstweilen das Dorf, das hinter dem Walde liege, und führe die Wirtschaft, sonntags predige er auch. Dann ließ er sich von Mausohr das ABC-Buch

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