Rheinmaerchen
explizieren und hatte eine große Freude daran.
Nun fragte Mausohr ihn noch: »Bester Herr Schulmeister! wie machen Sie es denn, daß die Kinder Ihnen gehorchen?« »Ei,« sagte der Storch, »dahinten am Bache, da steht ein Rohrgarten, welcher mir gehört, den hat mein Urgroßvater noch gepflanzt, und wenn ich mir von dem Rohr eine Pfeife schneide und darauf pfeife, müssen mir alle Kinder nachlaufen, wohin ich will.« – »Könnten Sie mir wohl für mein ABC-Buch so eine Pfeife schenken?« sagte Mausohr. – »Mit Vergnügen«, sagte der Storch und lief fort und brachte ihm bald eine sehr schöne Pfeife, worauf Mausohr sich empfahl und ihm versprach, wenn er glücklich von seiner Reise zurückkehre und sehe, daß er die Kinder aus dem ABC-Buch gut unterrichtet habe, wolle er ihm einen warmen Weck mitbringen; worüber der Storch vor Freuden wieder hoch in die Höhe hüpfte und ihn mit großem Geklapper verließ.
Mausohr steckte seine Pfeife sehr vergnügt in seine Mütze, denn er trug eine hohe Mütze von weißen Mäusepelzen, und ging munter auf Mainz los.
Unterwegs wünschte er seine Pfeife zu probieren, als er auf eine Wiese kam, wo ein Gänsejunge und ein Gänsemädchen Hirsenbrei miteinander aßen. Er tat aus der Ferne nur einen Pfiff auf seiner Pfeife, als sie ihren Brei verließen und auf ihn zu rannten.
Nun, dachte er, will ich die bösen Mainzer Kinder, die meinen Vater und meine Mutter ausgepfiffen haben, so auspfeifen, daß sie mir nimmermehr hineinkommen sollen; und indem er so dachte, setzte er ein Bein so schnell vor das andere, daß er die Türme der Stadt bald vor Augen sah.
Nun konnte er sich vor Unwille auch gar nicht mehr halten und marschierte munter in die Stadt hinein. Wie wunderte er sich aber, daß er keinen Menschen auf der Straße fand. Alles war wie ausgestorben; da kam er an eine Kirche und hörte gewaltig drin singen und Orgel spielen; er horchte am Schlüsselloch und sah alle Weiber drin, und hörte sie singen:
Dank und Preis!
Fort sind die Mäus!
Da schob er ganz leise den Riegel vor die Kirchentüre und ging an eine andre Kirchentüre und horchte wieder, da sangen alle Männer drin:
Dank und Preis!
Fort sind die Mäus!
Der Müller hat im Turm gesessen,
Da haben ihn die Mäus gefressen.
Da schob Mausohr wieder den Riegel vor die Türe, und kam endlich an eine noch weit schönere Kirche, da klangen Pauken und Trompeten drin, und als er durchs Schlüsselloch sah, erblickte er den König und alle Hofherrn darinnen, und es war da ein gewaltiger Spektakel mit Singen und Klingen, und er hörte die Worte singen:
Dank und Preis!
Fort sind die Mäus!
Der Müller hat im Turm gesessen,
Da haben ihn die Mäus gefressen.
Der Rattenkahl nebst Frau Mama,
Juheisasa!
Die hängen an dem Galgenpfahl!
Ein sauber Paar!
Der Herr bewahr
Uns vor solchen Bräutigamen!
Amen! Amen!
Als Mausohr nun dieses vernommen, war sein Zorn und Unwille aus der Maßen groß; aber er machte doch keinen Lärm, und schob den Riegel, wie überall, auch hier vor die Kirchentüre; schrieb aber noch mit einem Stückchen Kohle an die Mauer:
Wer vor dem Wirt
Die Rechnung macht,
Der hat geirrt,
Wird ausgelacht;
Singt nur im Chor!
Den Riegel vor
Das Kirchentor
Schiebt Mauseohr.
Nun ging er nach dem Schloßplatz hin, und je näher er kam, je stärker hörte er ein Geschrei und Gepfeife. Nun trat er um die Ecke herum: da sah er den ganzen Platz voll Kinder mit Pfeifen und Schreien den hohen Galgen umgeben, an dem, wie er glaubte, seine Mutter und sein Bruder hingen, und da fing er heftig an zu weinen.
Als er mit seiner hohen Husarenmütze unter die Kinder trat, welche auch allerlei bunte Sonntagsmützen, aber doch keine solche auf hatten, versammelten sich viele um ihn und fragten ihn: wo er herkäme und wer sein Vater sei, und wo er die schöne Mütze her habe und warum er weine. Da nahm sich Mausohr zusammen und sprach: »Kennt ihr denn nicht die Petersau?« – »O ja!« schrieen alle Kinder, »die liegt gleich da unten im Rhein.« – »Nun, da bin ich her; ich bin des Peters von der Petersau sein Sohn und heiße Peterchen, und mein Vater ist König von der Petersau; er macht dieselben Petermännchen, um die man sich Äpfel, Nüsse und Birnen kaufen kann.«
»Ach!« sagten die Kinder; »da möchten wir auch sein und uns die Taschen mit Petermännchen füllen; aber wo hast du denn die schöne hohe Pelzmütze her, macht die dein Vater auch?« – »Ja wohl!« sagte Mausohr, »da ist kein Kind bei uns, das nicht eine
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