Rheinmaerchen
Siegelring, den du im Käficht finden wirst, und deinen Mühlknappenbrief; er wird dir mehr erzählen; und wenn du auf meinem Grund und Boden bist, so gedenke meiner und gönne den Überresten meines Leibes ein ehrliches Grab bei meinen Vorfahren.
Der schwarze Hans von Starenberg.«
Mit Tränen benetzte Radlauf diesen letzten Willen des schwarzen Hans und eilte nach dem Käficht und fand da hinter dem Freßtröglein einen goldenen Siegelring, auf dem ein Berg, ein Star und ein Mühlrad gestochen war; den nahm er zu sich, und beschloß nun, seine Reise nach dem Grubenhansel zu richten, und seine Mainzer Händel einstweilen beruhen zu lassen.
Zuerst nahm er Abschied von seiner Mühle und schloß sie zu. Nichts nahm er mit als den Käficht, den Siegelring und den Mehlsack. Dann fuhr er nochmals auf die Insel im Bingerloch, wo er wußte, daß sich der Rattenkönig aufhielt, und dem er noch ein Säckchen feines Weizenmehl schenken wollte.
Kaum hatte er sich dem Grabsteine der Königin von Trier genaht, als auch der Rattenkönig erschien, der einen langen Trauerflor an hatte, und da Radlauf ihn gefragt, was der lange Flor bedeute, sagte er ihm: »Ich trauere um die Meinigen, die durch deine Treuherzigkeit in ihren Tod gegangen sind.« – »Hier hast du ein Säckchen Mehl«, sprach Radlauf. – »Ich danke dir,« sprach der Rattenkönig, »es tut not, denn es werden teure Zeiten kommen.« Dann erzählte ihm Radlauf, daß er eine Reise vorhabe und daß er komme, von ihm und den zwei hier begrabenen Ehrenleuten Abschied zu nehmen. Hierauf pflanzte er noch Thymian und Rosmarin aufs Grab und sagte dem Rattenkönig: was er für die schöne Ameleya in seiner Abwesenheit tun könne, solle er ihm aus alter Freundschaft tun; das versprach ihm dieser, und sie trennten sich.
Nun stieg Radlauf auf seinen Mühldamm und sah noch einmal in den Rhein, und gegen Mainz hin; aber er war so betrübt, er konnte nicht singen, und sagte nur immer: »Leb wohl, Vater Rhein! dir befehle ich meine Mühle, dir empfehle ich die schöne Ameley!« und unter solchen Worten schied er von dannen ins Gebirg.
Schwarzes Gewölk bedeckte den Himmel; alles war still und traurig ringsum, und der Rhein schlug mit den Wellen gegen das Ufer, als wolle er ihm Lebewohl sagen, da verbarg ihn der Wald.
Wie der König Hatto von Mainz die alte Königin von Trier und den Prinzen Rattenkahl am Galgen beschimpfte, und wie der Prinz Mausohr von Trier die Kinder zu Mainz aus Rache in den Rhein pfiff und sich dann am Grabe seiner Mutter mit dem Rattenkönig unterredete.
Als der König von Mainz die Mäuse losgeworden war, bestellte er ein großes Fest in Mainz, bei welchem er den hohen dreibeinigen Galgen ganz mit Ratzen benageln ließ; dann ließ er von Stroh einen Mann machen und ihm einen Mäusepelz anziehen, und eine Frau von Lumpen ebenso gekleidet; die ließ er auf einen Wagen setzen, dem alle Kinder mit kleinen Pfeifen folgen mußten, und mit diesem Wagen fuhr man an das Gefängnis Radlaufs, den man auch dazusetzen wollte.
Aber wie erschraken sie, da sie niemand in dem Kerker fanden als das Wams des Müllers und einige Totenbeine, die wohl schon lange da gelegen waren. Nun glaubte man allgemein, die Ratzen und Mäuse hätten den Müller gefressen, und machte es bekannt. Der König bedauerte sehr, daß er ihm keinen Schimpf mehr antun konnte; ließ aber doch sein Wams neben dem ausgestopften Rattenkahl und der lumpigen Königin aufhängen und dabei die Kinder mit ihren Pfeifen ein abscheuliches Gequicke machen.
Als die schöne Ameley den Tod des Müllers vernahm, ward sie sehr traurig und ließ von ihrer alten treuen Magd im Kerker nachsuchen, ob man nicht unter den Gebeinen ihr Ringlein finde.
Da die Alte darin herumsuchte, kam aber auf einmal der Rattenkönig und sagte: »Mütterchen! was sucht Ihr?« – Die Alte erschrak anfangs sehr und fürchtete, die Ratze möchte sie auch fressen; aber als diese ihr sagte: »Grüße die schöne Ameley von dem Müller Radlauf und sage ihr, daß er noch frisch und gesund und daß er nur verreist sei; sie soll ihm treu bleiben und sich nur immer stellen, als wenn sie ihn tot glaubte« – da ward die Alte sehr froh und begab sich zurück und brachte der schönen Ameley die fröhliche Nachricht.
Nachdem der böse König sein Fest begangen hatte, kam die Nachricht nach Trier, der Prinz Rattenkahl und seine Mutter hätten eine gar traurige Hochzeit in Mainz gehalten; denn der König habe sie an den hellen, lichten Galgen
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