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Rheinmaerchen

Rheinmaerchen

Titel: Rheinmaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Brentano
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Weißmäuschen diese Harfe näher besehen wollte und unbehutsam mit seinen Schuhen von Haselnußschalen über die Saiten lief, klimperte die Harfe; sogleich entschloß es sich nun, ein hübsches Lied zu singen und dazu die Harfe spielen zu lassen, damit es den alten Rattenkönig auf eine bescheidene Weise erwecke. Es sang also, indem es hin und her tanzend die Saiten erklingen machte, wie folgt:
    Wach auf! wach auf, mein Herr und König!
Aus deinem Schlaf, aus deinem Traum;
Erheb dein Ehrenhaupt ein wenig
Und gebe meinen Bitten Raum;
Hörst du, wie die Saiten tönen
Durch der Laube goldnes Schimmern:
Also wimmern,
Also stöhnen
Viele Männer, viele Frauen,
Die zum Sternen-Himmel schauen
Ohn Vertrauen
Und auf deine Hülfe bauen.
    Als Weißmäuschen dies gesungen hatte, erwachte der Rattenkönig ein bißchen und sagte halb im Traum: »Ei Frau Königin, Ihro Majestät singen wie ein Violenengel; o darf ich bitten, noch ein Stückchen« – und somit drehte er sich auf die andere Seite und entschlief wieder fest. Da sang Weißmäuschen weiter:
    Du träumst von Ihro Majestäten,
Ich singe von der Hungersnot;
Erwache! sei recht schön gebeten,
Verschaff den armen Leuten Brot;
Aus der Königin goldnen Händen
Ißt und trinkst du nach Verlangen;
Die Elenden
Schwer gefangen
Müssen all vor Hunger sterben,
Hungernd müssen ihre Erben
Auch verderben;
Lasse Gnade sie erwerben!
    Hier erwachte der Rattenkönig wieder ein bißchen und sagte schlaftrunken: »Ich danke recht schön; ich nehms für empfangen an; ich habe erst einige Zuckerbretzeln zu mir genommen; ich habe keinen Appetit mehr« – und drehte sich wieder herum und legte sich aufs Ohr und entschlief von neuem.
    Weißmäuschen wollte schier verzweifeln, den verschlafenen Rattenkönig zu erwecken; als es plötzlich ein Geräusch in der Kirche hörte und Fackelschein aus der obern Kirche herunterfallen sah. Es irrte sich auch nicht und versteckte sich geschwind hinter die Krone der Königin, als der junge König Mausohr im Schlafrock von weißem Mausepelz die Treppe herabkam; er hatte eine Schlafmütze von grauem Mausepelz auf, und die Krone oben drauf, was recht gut ging; denn sie war ihm bei seiner Jugend noch zu weit und hing ihm sonst gewöhnlich um den Hals auf die Schultern. Den Szepter hatte er der Quer im Maul; denn er hatte in der einen Hand die Fackel, in der andern die Kirchenschlüssel; und da er an das Grabmal kam, zupfte er den Rattenkönig am Schwanze, daß er erwachte und sich die Augen rieb. »Mein liebster Freund!« sagte König Mausohr, nachdem er den Szepter in den Gürtel gesteckt, »wer singt denn hier so beweglich und spielt die Harfe dazu? Mir hat es die Schildwache gemeldet, die oben vor der Kirche steht, und da ich geschwind herzugelaufen, habe ich auch noch ein Stückchen vom Lied gehört, das gar betrübt von lauter Hunger und Kummer lautete.«
    Nun machte der Rattenkönig, der sich endlich von seinem Schlaf erholt hatte, dem Mausohr tausend Entschuldigungen, daß er ihn so im Bett fände, daß er ihn vor Schlaf nicht gleich erkannt, und sagte ihm hierauf: es sei ihm auch, als habe er im Schlafe singen und harfen gehört; er habe aber geträumt, die hochselige Königin Mutter spiele ihm ein Lied zur Harfe und wolle ihn hierauf zum Essen nötigen, da er doch gar keinen Appetit habe; da aber die Schildwache und Mausohr das Singen auch gehört hätten, müsse es wohl etwas anderes als ein Traum sein, und könne er gar nicht begreifen, was es nur in aller Welt sein möge.
    Mausohr sagte hierauf laut, daß das Gewölb widerhallte: »Wer du auch seist, der, mit seinem Gesang über das Elend unglücklicher Menschen klagend, die Ruhe der Toten nächtlich feiert, laß den König Mausohr von Trier deine Klagelieder von neuem hören, oder zeige dich ihm, er wird dir helfen; denn er hat ein menschliches Herz, und hier bei der Ruhestätte seiner verehrten Mutter und seines geliebten Bruders kann er keinen Unglücklichen ungetröstet von sich lassen.«
    Als Weißmäuschen hörte, daß Mausohr so gnädig war, schlüpfte es aus der Krone heraus und sang, indem es auf der Harfe herumtanzte, folgendermaßen:
    Schön Dank! Schön Dank, Herr Mauseohr!
Weil ihr mir also gnädig seid,
Komm ich aus meinem Loch hervor
Und sing zur Harfe Euch mein Leid.
König Hatto legt die armen
Mainzer, wenn sie Brot verlangen,
Ohn Erbarmen
Fest gefangen,
Spricht dann, wenn sie hungernd schreien:
Ei, wie mich die Mäuse freuen!
Herr! ich fleh, woll sie befreien;
Gott wird dir auch

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