Richard Castle
der von blutroten Verästelungen aus Kapillaren durchzogen wurde. Seine Zunge war so dunkelblau, dass sie fast schwarz wirkte, und ragte aus seinem offenen Mund hervor, der von Schaum umgeben war. An seinem Hals lief eine Spur aus blutigem Erbrochenem herab, das sich auf dem Boden in einer beißend stinkenden Pfütze sammelte. Der Schritt seines orangefarbenen Overalls war mit seinem Urin durchtränkt, und auch sein Darm hatte sich im Tod entleert.
Die Officers standen auf. Einer von ihnen rannte nach draußen und hielt sich dabei eine Hand vor den Mund. Nikki machte ebenfalls einen unbewussten Schritt zurück und stieß gegen Rook. Einer der Officers sagte: „Wir haben versucht, ihn wiederzubeleben, aber als wir die Tür aufgeschlossen hatten, war er schon tot.“
„Hat irgendjemand gesehen, was passiert ist?“, fragte sie.
Sie hatte eigentlich mit den Officers gesprochen, aber einer der anderen Gefangenen sagte: „Er hatte gerade sein Abendessen bekommen und fing plötzlich an, wie verrückt zu würgen.“ Der Gefangene fügte noch eine Demonstration hinzu, aber Nikki wandte sich ab, um die Zelle in Augenschein zu nehmen.
Auf dem Boden stand ein Essenstablett mit einer umgekippten leeren Saftflasche aus Plastik. Ansonsten war nichts auf dem Tablett angerührt worden. „Niemand begibt sich in seine Nähe, bis jemand von der Gerichtsmedizin hier ist“, sagte Heat. „Und niemand hier drinnen isst oder trinkt etwas, bevor wir wissen, was ihn vergiftet hat.“
„Und wer“, fügte Rook hinzu.
ZWANZIG
Nikki spritzte sich noch etwas mehr kaltes Wasser ins Gesicht und richtete sich dann auf, um sich im Spiegel über dem Waschbecken in der Damentoilette zu betrachten. Ihre Lippen verzogen sich nach unten und begannen zu zittern. Sie wandte sich ab, zwang sich dann jedoch dazu, ihr Gesicht im Spiegel tapfer anzustarren, doch das Zittern wurde nur noch heftiger, und in ihren Augen sammelten sich Tränen. Bevor sie über ihre Wangen laufen konnten, beugte sie sich erneut zu dem Waschbecken vor und verpasste sich eine weitere Ladung Wasser.
Im Gegensatz zum vorgetäuschten Tod seines Auftraggebers in Paris hatte Detective Heat in Petar Matics Fall die Möglichkeit gehabt, sich davon zu überzeugen, dass er wirklich tot war. Ein Anruf bei ihrer Freundin Lauren Parry sorgte dafür, dass die Gerichtsmedizinerin ihr warmes Bett verließ und innerhalb von fünfundvierzig Minuten in der Arrestzelle erschien. Dr. Parrys vorläufige Einschätzung der Todesursache deckte sich mit den offensichtlichen Beweisen. Gift, das durch eine harmlos wirkende Halbliterplastikflasche Apfelsaft aufgenommen worden war. Es musste sich um sehr wirksames Gift gehandelt haben. In all ihren Jahren als Gerichtsmedizinerin hatte Lauren noch nie solch heftige Auswirkungen durch ein oral eingenommenes Gift gesehen. „Diese Dosis – als was auch immer sich dieses Zeug herausstellen wird, sobald wir es im Labor untersucht haben – wurde entwickelt, um ihn schnell und gnadenlos zu erledigen. Totales Organversagen ohne Chance auf Wiederbelebung. Du kannst davon ausgehen, dass ich lieber zwei Mal überprüfe, ob mein Schutzanzug richtig verschlossen ist, bevor ich seine Autopsie durchführe.“
Petars Autopsie.
Heat trocknete sich das Gesicht mit ein paar Papiertüchern ab und presste sie gegen ihre geschlossenen Augen. Hinter den Augenlidern war sie dreizehn und auf einem Schulausflug zum Skifahren in Vermont, wo sie von der Strecke abgekommen und auf einen steilen vereisten Hang geraten war. Als sie an diesem Tag gestürzt war, hatte sie ihre Handschuhe und einen Ski verloren, der seitlich über das Eis geschlittert und klappernd über den Abhang in eine Schlucht gefallen war, die sie nicht sehen konnte. Die Handschuhe waren ein paar Meter unter ihr liegen geblieben, doch wenn sie versucht hätte, sie zu erreichen, wäre sie das Risiko eingegangen, dem Ski zu folgen.
Allein und in Gefahr hatte Nikki ihre Fingernägel in das Eis gegraben und versucht, sich in Sicherheit zu ziehen. Sie musste es nur drei Meter den Abhang hoch schaffen und einen Felsen zu fassen bekommen. Auf halbem Weg verloren ihre Finger den Halt, und sie rutschte zurück zu der Stelle, von der aus sie losgeklettert war. Schluchzend und halb erfroren fand sie irgendwie die Kraft, sich erneut den Abhang hochzuziehen. Als sie fast am Ziel war und sich nach dem Felsbrocken ausstreckte, der nur Zentimeter von ihr entfernt war, verlor sie wieder den Halt. Dieses Mal rutschte sie
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