Richard Castle
Notarzt versicherte ihr später, dass das tatsächlich beinahe der Fall gewesen war. Nur ein Sekundenbruchteil nachdem sie einen korrupten Polizisten in einem Abfallverschiffungslager unschädlich gemacht und entwaffnet hatte, war sein Partner erschienen und hatte aus dem Hinterhalt auf sie geschossen. Heat hatte nichts davon mitbekommen, doch Rook – dieser verdammte Rook –, der gar nicht hätte dort sein sollen, sprang auf sie zu und warf sie zur Seite, sodass die Kugel ihn traf. Im Laufe ihrer Karriere als Streifenpolizistin und Mordermittlerin beim NYPD hatte Nikki Heat viele Leichen gesehen und war Zeugin vieler Tode geworden. Doch als Rook in dieser Winternacht zusehends blasser geworden war und sie gefühlt hatte, wie das warme Blut aus seiner Brust über ihre Arme floss, brannte sich dieser Anblick für alle Zeiten in ihr Gedächtnis ein und überlagerte alles, was sie bisher mit angesehen hatte. Jameson Rook hatte ihr das Leben gerettet, und nun war sein eigenes Überleben nicht weniger als ein Wunder.
„Zwei“, sagte sie. „Rook, du bist armselig.“
Draußen auf dem Bürgersteig atmete er tief und übertrieben lange ein. „Ich liebe den Geruch von Tribeca am Morgen“, sagte er. „Es riecht nach … Diesel.“
Die Sonne war gerade weit genug über den Horizont gestiegen, um Nikki dazu zu bewegen, ihr Sweatshirt auszuziehen und die Aprilluft auf ihren nackten Armen zu genießen. Sie erwischte ihn dabei, wie er sie ansah, und warnte: „Vorsicht, du bist nur ein transplantiertes Haar davon entfernt, dich in den Bruskelmann zu verwandeln.“
Sie ging weiter, und er folgte ihr. „Ich kann nichts dafür. Du weißt doch, jeder Augenblick kann romantisch werden. Das hab ich in einem Werbespot im Fernsehen gesehen.“
„Sag Bescheid, wenn ich langsamer gehen soll.“
„Nein, schon gut.“ Heat warf ihm einen Seitenblick zu. Er hielt tatsächlich Schritt. „Erinnerst du dich noch an meine ersten schlurfenden Gehversuche durch diesen Krankenhausflur? Ich kam mir vor wie ein Zombie. Und jetzt sieh mich an. Endlich kann ich wieder marschieren wie ein Superheld.“ Er demonstrierte es und lief bis zur nächsten Ecke vor.
„Schön. Falls ich jemals Hilfe brauche und Batman oder Lone Vengeance gerade beschäftigt sind, weiß ich, wen ich anrufen werde.“ Als sie zu ihm aufholte, fragte sie: „Aber im Ernst, geht’s dir wirklich gut? Habe ich dich mit dem Training nicht zu sehr strapaziert?“
„Nein, mir geht’s blendend.“ Er legte die Spitze ihres Zeigefingers auf seine Rippen. „Manchmal schmerzt es noch ein wenig, wenn ich die Stelle aus Versehen berühre.“ Sie warteten darauf, dass die Ampel umsprang, und er fügte hinzu: „Da wir gerade vom Berühren sprechen.“
Nikki starrte ihn mit ihrem besten arglosen Gesichtsausdruck an. „Berühren? Tut mir leid, ich kann dir nicht folgen.“ Sie sahen sich unverwandt an, bis er eine Augenbraue hochzog und sie zum Lachen brachte.
Rook schlang seinen Arm um ihren, während sie die Straße überquerten. „Detective, ich glaube, wenn wir das Frühstück ausfallen lassen, könntest du es immer noch pünktlich zur Arbeit schaffen.“
„Bist du sicher, dass du bereit dafür bist? Im Ernst, ich kann warten. Ich bin die Königin des Belohnungsaufschubs.“
„Vertrau mir, wir haben lange genug gewartet.“
„Vielleicht solltest du lieber noch mal deinen Arzt kontaktieren, damit er feststellen kann, ob du fit genug für sexuelle Aktivitäten bist.“
„Oh“, erwiderte Rook. „Also hast du diese Werbung auch gesehen.“
Anstatt für einen Happen ins Kitchenette zu gehen, bogen sie an der Ecke scharf ab und gingen Arm in Arm in Richtung seines Lofts, wobei sie ihre Geschwindigkeit mit jedem Schritt erhöhten.
Im Fahrstuhl auf dem Weg nach oben küssten sie sich leidenschaftlich und drückten sich aneinander. Zuerst stand er mit dem Rücken zur Wand und dann plötzlich sie. Dann ließen sie voneinander ab, widerstanden dem Drang oder wollten den anderen necken, oder vielleicht ein wenig von beidem. Ihre Augen trafen sich, fixierten die des anderen und zuckten nur kurz zur Seite, um die Stockwerkanzeige im Blick zu behalten.
Im Inneren seiner Wohnung, direkt hinter der Eingangstür, versuchte er sie wieder zu küssen, doch sie wich ihm aus, lief durch die Küche, sprintete den Flur entlang und sprang wie ein Wrestler ins Bett, während sie lachend „Beeil dich“ rief und ihre Sportschuhe von sich wegschleuderte.
Er erschien splitternackt
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