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Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit

Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit

Titel: Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Borchmeyer
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nichts als eine Hexe); dieses Thema erklingt genau in dem Moment wieder, als Arindal aufgrund der vermeintlichen Schreckenstaten Adas im zweiten Aufzug selber an ihr zweifelt und verzweifelt. Ein anderes verblü ff endes Beispiel sind die Hornstöße zu Beginn der Wahnsinns-Szene Arindals, die das Hundegebell nachahmen: eine Vorahnung der Wahnsinnsvision Sieglindes von der bellenden Meute im zweiten Akt der Walküre .
    Weit ausgeprägter als die sporadischen musikalischen ›Vorwegnahmen‹ Wagners sind seine inhaltlichen Antizipationen späterer dramatischer Konstellationen in den Feen . Es gibt bestimmte ›Urszenen‹, die über alle künstlerischen und ideologischen Wandlungen Wagners hinweg, von seiner ersten bis zu seiner letzten Oper, Angelpunkte seiner Handlungen bilden. Es sei etwa auf die emphatischen Varianten des Blick-Motivs verwiesen. In seiner Wahnsinns-Szene erinnert sich Arindal an die einstige Jagd auf die Hirschin. Vom Pfeil getro ff en, zeigt sie ihre wahre Gestalt: es ist die Fee Ada.
    O seht, das Tier kann weinen!
Die Träne glänzt in seinem Aug’!
O, wie’s gebrochen nach mir schaut! (SS XI, 48)
    Das gebrochene Auge der Hirschkuh erweckt Arindals Liebe zu Ada. Wer dächte hier nicht an den Moment, als Gurnemanz den Blick Parsifals auf den von ihm getöteten Schwan lenkt: »gebrochen das Aug’, siehst du den Blick?« (GS X, 335) Daraufhin zerbricht Parsifal in der ersten Regung des Mitleids seinen Bogen. Oder denken wir an den Moment, als Isolde sich erinnert, wie sie einst mit dem Schwert vor Tristan stand und dieser von seinem Lager zu ihr aufblickte. Isolde betont: »nicht auf das Schwert, / nicht auf die Hand« blickte er, sondern: »er sah mir in die Augen« (GS VII, 7). Das durch diesen Blick erweckte Mitleid hindert sie, den Schwertstreich auszuführen. Der Blick des Opfers erweckt den Blick des Mitleids – der zum Liebes-Blick wird. Dass Mitleid und Liebe bei Wagner immer wieder eins sind, zeigt der Leidensblick des Fliegenden Holländers auf dem Bild in Dalands Haus, der Sentas Mitleid – und Liebe erweckt. »Kann meinem Blick Teilnahme ich verwehren?«, fragt sie Erik (GS I, 275). Dieser spürt jedoch nur zu Recht, dass sich in Sentas Blick mehr als bloße Teilnahme ausdrückt. Eine anderes Wagnersches Urmotiv, das die Feen zumal mit dem Fliegenden Holländer , Tannhäuser , Lohengrin und Walküre verbindet, könnte man mit Thomas Manns Formel als »Sympathie mit dem Tode« bezeichnen. Wie Lohengrin gehört Ada einem zeitenthobenen Reich, einem ›künstlichen Paradies‹ an. Wie jener ist sie bekanntlich bereit, um der Liebe willen diesem Reich und damit der Unsterblichkeit zu entsagen. Sich an die Bedingung zu halten, für eine bestimmte Zeit nicht nach Herkunft und Wesen des außerirdischen Partners zu fragen, geht indessen über die Kraft Elsas wie Arindals hinaus. Während Lohengrin daraufhin nach Wagners Worten mit dem »Geständnis seiner Göttlichkeit […] vernichtet in seine Einsamkeit zurückkehrt« (GS IV, 296) – gerade die Rückkehr aus der Zeitlichkeit in die Zeitlosigkeit bedeutet paradoxerweise ›Vernichtung‹ –, wird Arindal aus dem Feenparadies verbannt und in eine »öde Felsengegend« versetzt (SS XI, 10). Das geschieht ebenso schlagartig wie die Versetzung Tannhäusers aus dem Venusberg in die Wartburglandschaft. Venusberg wie Feenreich sind zwar eine andere Welt, aber sie sind als überzeitlich gewissermaßen auch überräumlich. Deshalb kann die Feenwelt (in die Arindal auf seiner Jagd einst unvermerkt hineingeraten ist) im zweiten Teil des ersten Akts plötzlich ebenso in die Menschenwelt eindringen wie im dritten Akt des Tannhäuser der Venusberg ins Wartburgtal.
    Wie Lohengrin bleibt Ada ›vernichtet‹ in ihrer paradiesischen Einsamkeit zurück: »zu traurig hartem Lose / wird mir Unsterblichkeit«, ja unsterblich zu sein bedeutet für sie, »ewig tot zu sein« (XI, 19 f.). Anders als im Lohengrin wird Arindal ermöglicht, durch eine neue Prüfung Ada wiederzuerlangen. Diese aber wird im zweiten Akt von den Feen Zemina und Farzana noch einmal vor die Wahl gestellt, zwischen zeitloser Feen- und todesverfallener Menschenwelt zu entscheiden: »hier langer Tod und dort ein ewig Leben« (SS XI, 35). Für Ada gilt dieser Wertgegensatz jedoch nicht: für sie ist gerade die Unsterblichkeit »ein grenzenloser, ew’ger Tod«, das sterbliche hingegen »ein neues ewiges Leben« (SS XI, 36).
    In gleicher Weise sehnt sich Tannhäuser aus dem überzeitlichen

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