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Richter

Richter

Titel: Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Ciancarlo de u Lucarelli Andrea u Cataldo Cammilleri
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wollte, erklomm Fallarino mit einem Fuß das Trittbrett, beugte sich vor, sodass er Surra dicht bei dicht in die Augen sah, und sagte leise: »Hätte ich nur Euren Mut besessen.«
    Und stieg hinunter.
    Der Richter wunderte sich nicht wenig über diesen Satz. Freilich, um das Gericht wieder arbeitsfähig zu machen, bedurfte es klarer Vorstellungen, einiger Hartnäckigkeit, Entschlossenheit, Geduld ... aber gleich des Mutes? Was für ein gewichtiges Wort. Wirklich, die Sizilianer neigten dazu, alles zu übertreiben, zu dramatisieren, das dämmerte ihm allmählich.
    »Wohin?«, fragte Attanasio.
    »In die Präfektur.«
    Keine Viertelstunde, und die Nachricht, dass auf Richter Surra geschossen worden war, hatte im Städtchen die Runde gemacht.
    Der Einzige, an dessen Ohren sie nicht gelangte, war Surra selbst, doch niemanden streifte auch nur von fern der Gedanke, ihm könnte entgangen sein, dass man ein Attentat auf ihn verübt hatte. Entsprechend angeregt wurde im Kreise der Notabeln an jenem Nachmittag darüber diskutiert.
    »Das ist ganz genau wie beim Schachspiel«, sagte Don Agatino Smecca. »Da ist ein Angreifer, also unser Richter Surra, der im Café Arnone Don Nené Lonero öffentlich herausgefordert hat. Die Aufforderung, die Akten herauszugeben, das war sein erster Zug. Ein kühner Zug, das muss man anerkennen. Der Angegriffene hat die Herausforderung angenommen, und heute hat er seinen Gegenzug gemacht, indem er auf ihn hat schießen lassen.«
    »Einerseits ja«, schaltete Don Clemente Sommatino sich ein. »Aber nennen wir es besser einen dialogischen Gegenzug. Das war eine Warnung. Denn es ist doch wohl urbi et orbi klar, wenn Don Nené ihn hätte umbringen lassen wollen, dann hätten sie ihn erschossen.«
    »Einverstanden«, meinte Professore Sciacca. »Allerdings denke ich, diesmal wird es für Don Nené nicht so leicht, die Partie zu gewinnen. Im Gegenteil, ich würde sogar sagen, es ist nicht ausgemacht, dass er das überhaupt schafft. Dieser Richter Surra macht nicht viel her, aber er scheint Eier aus Eisen zu haben.«
    »Aus Eisen? Aus gehärtetem Stahl!«, mischte sich Don Arturo Siccia ein. »Meine Herren, habt Ihr gehört, was die Augenzeugen zu berichten hatten? Nach dem Schuss springt er los, schnell, schnell wie ein Stubenküken,schnappt sich diesen Hut, schaut ihn nicht mal richtig an, sondern setzt ihn sich auf und geht unverdrossen ins Gericht! Was hat der in den Adern? Blut oder Eis?«
    »Was das betrifft«, meinte Dottore Piscopo, »war ich ja gestern im Café Arnone dabei und hab die Szene mit angesehen. Heilige Mutter Gottes, wie eiskalt und ungerührt er Don Nené angewiesen hat, die Akten zurückzugeben! Signori, der hat fast noch gelächelt, während er mit ihm sprach!«
    »Dieser Mann fürchtet sich vor niemandem! An dem kann Don Nené sich die Zähne ausbeißen«, schloss Don Agatino Smecca.
    Alle pflichteten ihm bei.
    Der Präfekt war nicht da, er sollte erst spät am Tage von außerhalb zurückkommen. Der Richter ließ sich das Geld für Nicolosi auszahlen, doch bevor er nach Hause ging, machte er einen kleinen Umweg über das Café Arnone und ließ sich zwei Cannoli einpacken. Was soll’s, dass sie ihm schwer im Magen liegen würden!
    Unterwegs konnte er eine gewisse Änderung im Verhalten der Passanten ihm gegenüber nicht übersehen. Manche, und zwar die Mehrheit, grüßten ihn mit einer gewissen Wärme und lächelten ihn voller Sympathie an; eine Minderheit indessen ignorierte ihn ostentativ, wandte das Gesicht ab oder trat rasch von dem Bürgersteig hinunter, auf dem er daherkam.
    Er konnte es nicht begreifen.
    Du lieber Gott im Himmel, war er denn nicht derselbe Surra wie abends zuvor?
    Was hatte er anderes an sich? Seines Wissens hatte er nichts getan, das eine solche offensichtliche und klare Demonstration von Feindseligkeit einerseits und Sympathie andererseits rechtfertigte.
    Ein Freund in Turin, Sizilianer seines Zeichens, hatte ihm ja vorhergesagt, dass die Menschen hier ziemlich launisch seien. Aber derart?
    Stimmte etwas mit seinem Verhalten nicht?
    Stieß man sich daran, dass er so gierig auf diese Cannoli war, und andere freuten sich über seine Wertschätzung eines lokalen Produktes?
    Tja. Versteh mir einer die Leute!
    Er aß zu Abend und wollte dann das Buch lesen, das Fallarino ihm gegeben hatte.
    Doch besann er sich anders und überlegte, wie er mit Presidente Paoloantonio verfahren wollte.
    Zwei Stunden später meinte er eine Lösung ersonnen zu haben und ging

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