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Rico, Oskar und das Herzgebreche

Rico, Oskar und das Herzgebreche

Titel: Rico, Oskar und das Herzgebreche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steinhöfel
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Dinger da drin erst klein zusammenschnurrten und sich sofort wieder vergrößerten. Oskar zog kurz die Nase hoch, dann sagte er:
    Â»Sie ist nicht tot.«
    Â»Wer?«
    Â»Meine Mutter. Sie ist nur weggegangen. Das wolltest du doch fragen, oder?«
    Ich starrte ihn überrascht an. Oskar starrte zurück. Zurückstarren ist zwar sein bester Trick, aber diesmal funktionierte er nicht richtig. Seine Augen waren grüner als das Pistazieneis, das er gerade ausgelöffelt hatte, und es lag ein ähnlich feuchter Schimmer darin wie in den Augen vomWehmeyer bei der Landschaftsergreifung am Stadtrand. Nur trauriger.
    Â»Sie ist weggegangen, weil sie meinen Vater nicht liebte«, sagte er. »Mich liebte sie auch nicht, deshalb bekam mein Vater das Sorgerecht.«
    Â»Was ist Sorgerecht?«
    Â»Das heißt, dass er sich um mich kümmern muss.« Zwischen seinen Augen bildete sich eine kleine, tiefe Falte. »Als ich noch nicht zur Schule ging, hab ich mir immer vorgestellt, dass sie zurückkommt, weil sie mich vermisst. Aber das war nur eine Illusion. Sie kommt nicht zurück. Und ich denke nicht mehr an sie. Ich rede auch nicht mehr über sie.« Das Plastiklöffelchen stach wie ein Spaten in die letzte Erdbeerkugel. »Ich esse einfach nur mein Eis.«
    ILLUSION : Wenn man erwartet, dass was Schönes passiert oder dass man was Tolles kriegt, aber am Schluss hat man dann nichts außer Enttäuschung und vollgeheulte Tempos. Also so ähnlich wie manchmal Weihnachten.

 
    Â 
    Es ist sehr spät, aber jetzt habe ich schon fast den ganzen Dienstag ins Tagebuch eingetragen, da schaffe ich den Rest auch noch. Oskar schläft. Wenn ich die Ohren spitze, kann ich ihn bis hierher ins Wohnzimmer atmen hören. Von Berts habe ich mir gestern einen Schlafsack und eine Luftmatratze ausgeliehen. Auf der Luftmatratze sind jede Menge bunte Blümchen drauf, weshalb es so aussieht, als würde Oskar auf einer schönen Wiese liegen.
    Wenn ich nur wüsste, was ihm im Kopf herumgeht. Und warum er es mir nicht erzählen will. Denn ganz plötzlich, heute Abend beim Bingospielen, als Mama gerade gewonnen hatte und aufstand, um sich auf der Bühne ihren Preis abzuholen, verhielt er sich auf einmal richtig seltsam. Und danach noch seltsamer.
    Dabei war bis dahin alles so toll gewesen …

    Als Oskar und ich in der Dieffe ankamen, kniete Berts draußen auf dem Gehsteig zwischen allen möglichen Werkzeugen und fummelte mit ölverschmierten Fingern an seiner roten Ducati herum.
    Â»Na, du Superagent«, sagte er, als er mich sah. »Schaffst du’s inzwischen durch die Stadt, ohne alle paar Meter von Zeitungsfuzzis belästigt zu werden?«
    Â»Klar. Aber Oskar ist vorsichtshalber noch inkognito.«
    Â»Ah, du bist also Oskar.« Berts guckte an mir vorbei und direkt in die Sonnenbrille rein. »Mann, Mann, Mann – freut mich! Kann dir leider nicht die Hand geben, bisschen viel Öl dran. Aber freut mich wirklich.«
    Er grinste ein so leuchtend edelweißes Grinsen, dass ich mir vorkam wie ganz oben auf einem schneebedeckten Berg in den Alpen. Berts kann das. Er grinst einen an und man denkt, die Welt ist in Ordnung. Oder dass er, wenn er das will, sie für einen in Ordnung bringen kann. Vergangene Woche hat er einem Reporter Dresche angedroht, der vor dem Haus herumlungerte. Es war das letzte Mal, dass wir so einen Zeitungsfuzzi sahen. Mama hatte vor zwei Wochen im Krankenhaus gemeint, dass wir in einer schnellen Welt leben, die schnell vergisst. Sie hatte Recht behalten.
    Berts legte einen Schraubenschlüssel ab, fuhr sich mit einer Hand durch die stoppelkurzen dunklen Haare und betrachtete Oskar genauer. »Das war mutig, was du da gebracht hast, Mister Inkognito. Hast du deinen kleinen Ausflug in den Entführungskerker einigermaßen gut überstanden?«
    Oskar hob die Sonnenbrille hoch und musterte ihn, als wollte er rausfinden, ob Berts nur neugierig war oder ob er sich ernsthaft für ihn interessierte. Er entschied sich für ernsthaft interessiert. »Ich hab darüber schon mit einem Psychologen geredet«, sagte er. »Ich wollte nicht, aber ich musste, weil die meisten Entführungsopfer Angstattacken kriegen oder nachts ins Bett machen.«
    Â»Sogar Erwachsene?«, sagte ich.
    Oskar nickte düster.
    BETTNÄSSEN : Man schläft und muss ganz nötig, also träumt man einfach, dass man auf dem Klo sitzt, und schon

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