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Rico, Oskar und das Herzgebreche

Rico, Oskar und das Herzgebreche

Titel: Rico, Oskar und das Herzgebreche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steinhöfel
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hätte sie sich gerade noch rechtzeitig erinnert, dass sie das Lächeln bloß nicht vergessen dürfte, wenn sie Oskar begrüßte.
    Oskar schob seine Sonnenbrille hoch, schenkte ihr einen besonders schönen Ausblick auf seine Riesenzähne und hielt ihr die Hand hin. »Vielen Dank für die Einladung zur Übernachtung.«
    Â»Jederzeit«, sagte Mama und schüttelte ihm fast den Arm ab.
    Na, immerhin, dachte ich. Oskar konnte das nicht wissen, aber wenn Mama jederzeit zu jemandem sagt, gehört er damit praktisch zur Familie. Zu Frau Dahling hat sie jederzeit gesagt, als die sich nach ihrem ersten Besuch bei uns im Hausflur noch mal umdrehte und fragte, ob sie ab und zu klingeln darf, wenn das graue Gefühl über sie kommt. Zu Jule hat Mama jederzeit gesagt, als die sich mal etwas Mehl ausleihen wollte und dann vier Stunden lang in unserer Küche sitzen blieb, um sich über Nachtclubs und französische Küsser zu unterhalten. Ich hoffe sehr, dass Mama eines Tages auch mal zum Bühl jederzeit sagt, aber jetzt sagte sie erst mal was anderes.
    Â»Habt ihr Hunger? Ich hab mir überlegt, dass wir zur Feier des Tages vor dem Bingospielen Pizza essen gehen. Was haltet ihr davon?«
    Wir hielten jede Menge davon.
    Als wir kurz darauf draußen beim Italiener saßen, oben an der Ecke zur Admiralbrücke, fühlte ich mich fast ein bisschen zu Hause. Früher habe ich mir manchmal ausgedacht, wie es wäre, wenn Mama und ich in Italien lebten, dem Heimatland von meinem Papa. Wir würden jeden Tag Pizza und Eis essen und uns den Turm von Pisa angucken und das Kolosseum in Rom.
    Kolosseum : Ein riesiges uraltes Theater ohne Dach. Die Römer bauten es, weil sie sauer auf die Christen waren. Die Christen glaubten nämlich an den lieben Gott, die Römer aber nur an Wein, Weib und Gesang. Also verfütterten sie die Christen vor vielen Zuschauern an Löwen und Tiger, angeblich sogar an Nashörner und andere kolossale Viecher. Daher der Name.
    Nur nach Neapel würden wir nicht fahren, weil mein Papa dort in der Nähe beim Angeln von einem Riesenfisch über Bord gezogen wurde und ertrunken ist – PLATSCH, BLUBBER, dann tot. Deshalb bestelle ich beim Italiener immer Pizza mit Meeresfrüchten, aus Rache. Meeresfrüchte sind total leckeres Fischzeug, aber das weiß jeder. Man müsste schon ziemlich tiefbegabt sein, um zu denken, dass es sich dabei um Unterwasseräpfel oder Strandpflaumen oder dergleichen handelt.
    Â»Weißt du noch, Rico«, sagte Mama, »wie du früher dachtest, Meeresfrüchte wären Unterwasseräpfel und Strandpflaumen und so etwas?« Sie haute vor Vergnügen mit der Gabel so fest auf den Tisch, dass ihr Glas Rotwein wackelte. »Das war so witzig!«
    Ich schob meinen Teller ein Stück weg. Ich hatte eh schon kaum Appetit gehabt, weil ich mich so sehr aufs Bingospielen mit Oskar freute. Der grinste nur kurz über Mamas Geschichte und fing dann an, zu jedem Schnippel Belag auf seiner Pizza irgendwas zu erklären, zum Beispiel, dass Paprika mit Kartoffeln verwandt sind, aber auch mit Tabakpflanzen. Mama hörte ihm total interessiert zu und stellte Zwischenfragen, warum man Pizza dann nicht mit Zigaretten belegte und dergleichen, und dabei lachte sie und stach mit der Gabel zwischen ihre Spaghetti, als wollte sie ihre Traurigkeit aufspießen, die vor so viel guter Laune geflüchtet war und sich unter den Nudeln versteckte.
    Ich hörte ihnen nur noch halb zu und schob dabei einengegrillten kleinen Tintenfisch durch meinen Pizzakäse hin und her und her und wieder hin. Mit der anderen Hälfte guckte ich rüber zur Admiralbrücke. Die war rappelvoll mit Leuten, wie immer an schönen Sommerabenden. Manche von ihnen lehnten gegen die verschnörkelten Eisengeländer, aber die meisten saßen einfach auf dem Pflaster, lachten miteinander und unterhielten sich laut und gluckerten dabei Cola und Bionade und Bier. Ein Ausflugsdampfer tuckerte unter der Brücke hindurch. Jemand spielte Gitarre. Ein paar Mädchen klatschten dazu in die Hände. Die Abendsonne goss über alles ihr orangegoldenes Licht. Ich wünschte mir, wir könnten immer so hier sitzen.
    Kein Ende der Welt konnte da mithalten.

    Vom Italiener aus gingen wir beim Isabel vorbei runter in Richtung Urbanstraße. Das Isabel ist unsere Eisdiele, und ich lugte sehnsüchtig rüber, aber Mama hatte volles Tempo drauf. Oskar

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