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Rico, Oskar und das Herzgebreche

Rico, Oskar und das Herzgebreche

Titel: Rico, Oskar und das Herzgebreche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steinhöfel
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musste ab und zu einen Hoppelschritt machen, um mitzuhalten, beschwerte sich aber nicht.
    Das Gemeindezentrum liegt in der Graefestraße. Es gehört zu einem kirchlichen Seniorenwohnheim, oder das Seniorenwohnheim gehört zum kirchlichen Gemeindezentrum,oder beides ist nur zufällig im selben Haus untergebracht; auf jeden Fall ist das der Grund dafür, dass immer so viele Rentner zum Bingoabend kommen, vor allem die von den Grauen Hummeln . Ein paar andere Hummeln wohnen über den ganzen Kiez verstreut.
    Â»Wenn wir ankommen, ziehst du aber bitte die Sonnenbrille ab, okay?«, sagte Mama zu Oskar, als wir an der Urbanstraße die Ampel überquerten. »Sonst denken die Leute noch, wir bringen einen Außerirdischen mit oder so was.«
    Â»Außerirdische gibt’s nur in Filmen«, sagte ich lässig. Das hatte Berts mir mal erzählt, und ich wollte damit ein bisschen vor Oskar rumprotzen, nachdem er sich so gut mit Pizzabelägen ausgekannt hatte. Hoffentlich kriegte ich den Satz richtig hin. »Für ein tatsächliches Vorhandensein von extraterrestrischer Intelligenz fehlt nämlich bisher jeder Beweis.«
    Ha, erste Güteklasse!
    Â»Den Beweis gibt es schon längst«, erwiderte Oskar.
    Verdammt.
    Wir hatten eben die Ampel überquert. Mama zog eine Augenbraue hoch und schaute die Graefe runter, als erwartete sie jeden Moment eine UFO-Landung vor dem Gemeindezentrum. »Na, da bin ich ja mal gespannt.«
    Â»Der unwiderlegbare Beweis für außerirdische Intelligenz ist«, sagte Oskar gedehnt, »dass sie sich bei uns auf der Erde nicht blickenlässt.«
    Er nahm die Brille ab und guckte Mama und mich todernst an, bevor er in ein wieherndes Lachen ausbrach, wieich es noch nie von ihm gehört hatte. Ich brauchte das komplette letzte Stück Weg zu dem nicht besonders hübschen, grün gestrichenen Neubau des Gemeindezentrums, bis ich den Witz verstanden hatte. Dann lachte ich auch. Oskar kicherte immer noch in sich hinein, als wir reingingen und er Mama seine Brille gab, die sie grinsend in ihre Handtasche versenkte. Anscheinend war ihm inkognito vor Rentnern nicht so wichtig.
    Viele Menschen – Frau Dahling gehört auch dazu – denken, dass Rentner langweilig sind, komische Klamotten tragen und noch komischer riechen. Und es stimmt, es gibt bei den Grauen Hummeln welche von dieser Sorte. Meistens sind es dieselben, die beim Bingospielen einpennen oder mittendrin plötzlich aufstehen und aufs Klo gehen und dann nicht mehr wiederkommen, weil sie dort eingepennt sind. Aber das sind die wenigsten. Die übrigen Rentner sind fit wie die Turnschuhe, kippen über ihren Bingokarten gern mal ein Gläschen Gutes und schäkern und lachen dabei so laut und so viel, als wollten sie der ganzen Welt dauernd ihre tollen dritten Zähne zeigen.
    In dem hellen Bingosaal mit den großen Fenstern war schon ordentlich was los, als wir eintraten. Die Grauen Hummeln heißen nicht umsonst so, denn sie machen diese gut gelaunten, brausigen und brummeligen Hummelgeräusche, und dazu kommt noch aus allen Ecken ihr Gelächter und Gejohle, so dass man sich fühlt wie auf dem Rummelplatz. Ein paar von ihnen winkten Mama und mir zu und riefen Hallihallo, alssie uns erkannten, und sie nickten freundlich in Oskars Richtung. Er und ich waren die einzigen Kinder hier, und Mama die einzige junge Frau. Mehr als zehn Tischreihen waren aufgebaut, mit Bänken auf jeder Längsseite. Es gab kaum noch freie Plätze und ich hatte ein bisschen Bange, dass wir nur noch einen Platz kriegten, wo die Rentner schon die Nüsschen und das übrige Knusperzeugs verputzt hatten, das in Schälchen über alle Tische verteilt war. Es ist schlimm, aber manche Menschen denken immer bloß ans Essen.
    Ich machte Oskar auf die Bilder aufmerksam, die an den Wänden hängen, seit ich mich erinnern kann. Es sind gerahmte Bilder von Apothekerkalendern und dergleichen, wie auch Frau Dahling sie so gern mag: schneebedeckte Berge mit Sommerwiesen davor, und auf den Sommerwiesen blühen bunte Blumen, und von hohen Felswänden stürzt donnernd und schäumend Wasser zu Tal. Voll kitschig und uncool.
    Â»Huscht mal vor und sucht uns ein paar freie Plätze«, sagte Mama. »Ich kauf uns derweil die Kärtchen.«
    Oskar hielt sich so dicht neben mir, dass ich genau wusste, er hatte Muffe, hier verloren zu gehen. Wahrscheinlich hatte er keine Erfahrung mit

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