Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rico, Oskar und das Herzgebreche

Rico, Oskar und das Herzgebreche

Titel: Rico, Oskar und das Herzgebreche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steinhöfel
Vom Netzwerk:
geht’s los. Es gibt auch Bettessen, aber das ist genau andersrum: Man träumt vom Essen, wird wach und steht wirklich vor dem Kühlschrank. Beides gleichzeitig geht nicht, dann müsste man in den Kühlschrank pullern.
    Berts schenkte Oskar sein Alpengrinsen. »Und, hast du auch ins Bett gepinkelt?«
    Â»Natürlich nicht.« Oskar senkte die Stimme. »Aber in der ersten Woche nach der Entführung bin ich jede Nacht schweißgebadet aufgewacht, weil ich geträumt hatte, dass ich mich für den Rest meines Lebens von Hamburgern und Fritten ernähren muss!«
    Â»Er hat nichts anderes zu essen gekriegt, als er eingesperrt war«, warf ich ein. »Plus Cola.«
    Berts nickte verständnisvoll.
    Â»Und beim Aufwachen hatte ich dann immer den Eindruck, dass mein Zimmer nach Fett aus der Fritteuse stinkt«, fuhr Oskar fort. »Das war ziemlich beängstigend.«
    Â»Und nach dieser ersten Woche«, sagte Berts, »sind die beängstigenden Träume besser geworden?«
    Â»Völlig verschwunden«, antwortete Oskar, und seine Erleichterung war ihm anzuhören. »Ich träume jetzt wieder ganz normale Sachen. Neulich Nacht habe ich zum Beispiel beinahe rausgefunden, warum Galaxien mit einer Geschwindigkeitsverteilung rotieren, die nicht zur Massenverteilung ihrer sichtbaren Bestandteile passt. Das ist ein ungelöstes Problem der Physik«, fügte er erklärend hinzu, weil Berts und ich ihn komisch anguckten.
    Â»Hey, schon klar«, sagte Berts, »wer träumt davon nicht ab und zu?« Er nickte freundlich, aber sein Grinsen sah jetzt so aus, als würde in den Alpen plötzlich und unerwartet der Schnee schmelzen. Ich nickte auch. Oskar sollte mal bloß nicht denken, ich hätte noch nie massenhaft rotierende Galaxien und dergleichen gesichtet.
    Â»Ich bin dann leider mitten im Traum aufgewacht, weil ich nötig aufs Klo musste«, quäkte Oskar mit seiner Trompetenstimme. »Aber ich habe nicht ins Bett gemacht!«

    Oskar hatte kaum seinen kleinen Rucksack in meinem Zimmer abgestellt, da zerrte ich ihn auch schon zum Fenster. Wir spähten rüber zu der leeren Wohnung im dritten Stock vom einsturzgefährdeten Hinterhaus, in dem früher das alte Fräulein Bonhöfer gewohnt hatte. Hinter diesen Fenstern hatte ich die gruseligen Tieferschatten gesehen, die mich auf die Spur von Mister 2000 gebracht hatten.
    Â»Sieht eigentlich ganz harmlos aus, oder?«
    Â»War es aber nicht«, murmelte Oskar. Er rubbelte seine dünnen Arme, auf denen eine Gänsehaut erschienen war.
    Ich musste an den Mommsen denken. Neulich hab ich ihn getroffen, da putzte er gerade das Treppenhaus. Er kommt immer noch nicht drüber weg, dass Mister 2000 unter seiner Nase – eigentlich darüber, denn Mommsen wohnt ja parterre – ausgerechnet in unserem Hinterhaus seine Entführungsopfer versteckt hatte.
    Â»Wenn das die Bonhöfersche wüsste!«, sagte er. »Im Grabe würde sie sich umdrehen! Feine Dame war das, immer freundlich.«
    Fuselgeruch hatte ihn umgeben wie eine bittere Wolke. Er ist zwar oft besoffen, aber keiner wischt ein Treppenhaus in null Komma nix so sauber wie Mommsen, das muss man ihm lassen. Trotzdem konnte ich mir nicht vorstellen, dass Fräulein Bonhöfer so eine Schnapsdrossel wie ihn gemocht hatte.
    Â»Sie hat den Gashahn aufgedreht und sich in die Luft gesprengt«, erinnerte ich ihn mit gerümpfter Nase. »Weil sie so krank war.«
    Â»Weiß ich. Und?«
    Â»Na, dann ist sie nicht mehr am Stück. Sie ist ganz viele Stückchen, und die müssten sich alle gleichzeitig umdrehen. Das würde im Sarg ganz schön rumpeln.«
    Â»Gab keinen Sarg damals«, schnaubte der Mommsen. Er bückte sich und wrang den Putzlappen über dem Eimer aus. Sein dicker Hintern rutschte ein Stück aus der Hose, so dass man halb die rosige Ritze sehen konnte. »War ’ne Feuerbestattung. Das bisschen, was von ihr übrig war, wurde verbrannt. Die Asche kam in ’ne große Urne, aber wenn du mich fragst, hätte dafür auch ’n Senfglas gereicht.«
    Mein lieber Schwan!
    Ich guckte mir die Gänsehaut auf Oskars Armen an und wollte ihn gerade fragen, wie viel Asche von einer erwachsenen Leiche am Stück übrig bleibt, als Mama den Kopf zur Tür reinsteckte.
    Â»Na, Männer«, sagte sie, »alles klar bei euch?«
    Sie lächelte, aber es sah gezwungen aus. Als

Weitere Kostenlose Bücher