Riemenschneider
nach innen, setzte den Fuß allein mit Ballen und Zehen auf und zeichnete die Position ein.
»Ich glaub nicht, dass ich lange so stehen kann.«
»Warte. Halt bitte einen Moment aus.« Er wählte ein Scheit vom gestapelten Kaminholz. Wenige Schläge mit dem Beil genügten, und er konnte ihr einen Stützkeil unter die Ferse des linken Fußes schieben. »Ich denke, jetzt ist es erträglicher für dich.«
Meister Til kehrte zum Zeichentisch zurück. Ruhe überkam die große Gestalt. Er blickte Magdalena an, seine Augen öffneten sich neu und ließen das Bild ein. Leicht glitt der Kohlestift über das Blatt, nur selten hob der Meister das Haupt, so sicher war er sich, so vertraut mit der Form. Die Geräusche der Stille wurden deutlicher: Das strichelnde Schaben auf dem Papier, hin und wieder knackte es in der Glut. Unmerklich ließ er den Arm sinken. »Ist dir warm genug?«
Überrascht von der Frage, fuhr sie zusammen, vollendete den Schritt mit dem linken Fuß, musste weitergehen. »O verzeiht, Herr.«
Schnell kehrte sie zu den Markierungen zurück. Der rechte Fuß, die Zehen und Ballen des linken, ihr Körper fand die Mitte nicht, wankte und wieder verließ sie die vorgezeichnete Position. »Verflucht, ich schaffe es nicht mehr. Mein Bein tut weh vom Stillhalten.«
Er nickte voller Mitgefühl. »Möchtest du dich sehen?«
Die Neugierde war stärker als der Kummer. Magdalena kam auf ihn zu, stockte, raffte das Kittelkleid vom Boden und presste den Stoff nur notdürftig an den Busen, dicht neben ihm betrachtete sie die Zeichnung. »Bin ich so? Und die langen Haare. Versteht, ganz hab ich mich noch nie gesehen. Weil wir daheim nur eine kleine Spiegelscheibe haben.« Sie runzelte die Stirn. »Aber wo ist mein Gesicht, Herr?«
»Das erfinde ich später.«
Magdalena nagte an der Unterlippe, überlegte, sagte dann: »Ich würde es doch gerne mal sehen. Wie es so passt. Ich weiß, wir haben was anderes ausgemacht, aber hier auf dem Papier hätte ich nichts dagegen.« Aus der ersten Regung heraus wollte Til den Arm um sie legen, besann sich rechtzeitig und schmunzelte vor sich hin. »Gut. Ich helfe dir.« Nach seiner Anleitung war die Haltung bald wiedergefunden.
Er glättete noch den Bogen auf dem Brett, als sie ihm zuwinkte. »Wartet, Herr. Damit ich nicht nur einfach gucke, wollte ich fragen: Was soll ich denn denken?«
Mit einer Raspel spitzte er den Stift. »Eva wusste, was sie tat. Ich bin fest davon überzeugt, sie bereut nichts. Und deshalb ist ihr auch nicht bang vor dem, was jetzt droht. Sie will Adam aufmuntern, ihm Mut machen.«
»Also soll die Frau stärker sein als der Mann.« Magdalena krauste die Nase, ihre Augen leuchteten. Sie hob den Busen, die linke Hand berührte fast das Haarvlies über den Schenkeln. Er zeichnete schon, da winkelte sie den rechten Arm an und führte ihn zum Rippenbogen unter der Brust und öffnete die Handmulde. Ein schalkhaftes Lächeln umspielte den Mund.
Er hielt inne. »Du hast dich verändert. Nein, bleib jetzt so. Es gefällt mir. Ich muss mich nur rasch darauf einstellen.« Während seine Finger ein neues Blatt einspannten, ließ er sie nicht aus den Augen, bemühte er sich, ihr Vergnügen zu erraten, und musste dann doch fragen: »Was belustigt dich?«
»Ihr habt gesagt … Ach, ich hab mir nur vorgestellt, was ich machen würde.«
Til wartete.
»Na ja, wenn wir schon vom verbotenen Baum gegessen haben und es eh schon zu spät ist. Da hab ich mir gedacht, gut geschmeckt haben die Äpfel. Und warum sollen wir nicht noch einen essen? Also bringe ich dem Adam noch einen Apfel. Deshalb.«
»Meine Eva.« Mehr sagte er nicht dazu; er rundete die Lippen, zeichnete, und ihre wissende Heiterkeit spiegelte sich in seiner Miene.
Noch eine Skizze von der Seite, gleich danach trug Meister Til das Zeichenpult hinter sie, doch ihre Kraft erlahmte, sie vermochte nicht mehr still zu stehen, das Lächeln erlosch, Magdalena wollte sitzen und hatte Durst.
In einem Zug leerte sie den Becher. »O verzeiht.« Sie sprang auf, nahm ihr Kittelkleid und floh hinüber zum Johannes Evangelista. Während sein Modell sich ankleidete, legte er beide Bögen nebeneinander auf die Plane und betrachtete die Zeichnungen wie ein Geschenk. »Soll ich jetzt gehen?«
»Nein.« Er wandte den Kopf, benötigte einige Augenblicke, um sich wieder an das hochgesteckte Haar, den hellblauen Stoff, die Schnürsandalen zu gewöhnen.
»Was sage ich da? Entschuldige. Natürlich darfst du jetzt gehen.« Er rieb sich die Stirn. »Wir
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