Robolution
PROLOG
DATUM: 22.10.3042 (Erdzeit)
SYSTEM: Prokrustes
ZEIT: 05:20 PM
ORT: Orbit von Coppola II
Ion Trent warf einen kurzen Blick auf das Instrumentenpanel des Cockpits. Einige Anzeigen waren ausgefallen, andere spielten verrückt, und die wenigen, die noch funktionierten, waren nicht relevant.
Seinen Schätzungen zufolge würde es das Schiff höchstens noch eine Viertelstunde lang machen. Alles in allem kein schlechtes Ergebnis – er hatte beileibe schon schlimmeren Schrott durchs Weltall reiten müssen.
2OT Technology jedenfalls, der Konzern, der ihn hier raufgeschickt hatte, würde zufrieden sein können .
Das Einzige, was Trent vor dem Start hatte checken müssen, war der Zustand der Rettungskapsel gewesen. Alles andere ging ihn nichts an. Für ihn spielte es keine Rolle. Seine Aufgabe war es, die Blackbox und das Antriebsaggregat auszuwerfen und sich mit beidem rechtzeitig abzuseilen, bevor es das Schiff hier draußen im All zerlegte.
Wie die meisten anderen auch war auch dieses Test-Shuttle des Konzerns eine modifizierte Variante der Dolphin- Klasse, etwas kompakter und leichter und mit eben gerade so viel Technik ausgestattet, um einen Antriebstest mit allen relevanten Parametern durchzuführen. Schiffe wie dieses, deren Zerstörung schlussendlich Teil ihrer Bestimmung war, bestanden nur aus dem N ötigsten. Aufgrund der Ab h örgefahr und der fortgeschrittenen Technologien, derer man sich inzwischen in der Industriespionage bediente, gab es an Bord außerdem weder Funk noch anderweitige direkte Datenübertragung. Ein normaler Pilot wäre wahrscheinlich niemals mit einem solchen Schiff geflogen. Auf derartigen Initialflügen war Risiko Programm. Aber genau dafür beschäftigten Konzerne schließlich auch Tech-Söldner wie Ion Trent. Und ihr Aufgabenfeld war alles, was außerhalb der Simulationskammern getestet werden musste. Wenn es ernst wurde, ließ man sie ran, ob es sich nun um Prothesen, Waffen, Raumschiffe, Bergbautechnologie oder Portaltechnologie handelte.
Trent selbst hatte schon für eine ganze Reihe Konzerne gearbeitet, und ihm war im Lauf seines Lebens so ziemlich alles um die Ohren geflogen.
Dies war bereits sein dritter Flug für 2OT Technology . Beim zweiten hatte er vor einem knappen halben Jahr seinen Arm verloren, was aber – abgesehen von einer entsprechenden Zulage – nur bedeutete, dass er auf diesem Flug zusätzlich die Omniprot Pro9G aus der BigGear-Serie testen durfte. Eine Armprothese mit Nanofusion, optimierten Reflexen und hoch entwickelter KI. Schon im Zuge der Reha hatte gemerkt, dass dieses Ding seinem alten Arm in jeder Hinsicht überlegen war, und wahrscheinlich hätte die KI darin ihn bei einem Schachspiel alt aussehen lassen. Darüber hinaus halfen ihm der Nanofusionsprozessor und die gesteigerten Reflexe nicht unwesentlich bei seiner Arbeit, bei der am Ende jede Sekunde zählte. Je länger ein Tech-Söldner im Rahmen eines solchen Flugs an Bord blieb, desto mehr gab die Blackbox am Ende her. Und jedes gewonnene Datenfragment bedeutete bares Geld.
Eben darin lag aber auch die Gefahr des Jobs. Im Finden des richtigen Zeitpunkts zwischen sicherem Ausstieg und sicherem Tod, in dem kleinen Moment, in dem Gier und Sicherheit in Konflikt gerieten. Das waren die beiden Pole, zwischen denen sich seinesgleichen bewegte. Eine Tatsache, die mehr als einen seiner Kollegen das Leben gekostet hatte. Andererseits war es kein Geheimnis, dass dieser Job alles andere als ungefährlich war. Im Gegenzug war er mindestens ebenso lohnend, denn die Erprobung neuartiger Technologien war der Krieg der Neuzeit. Und der Wettstreit der Konzerne fand ohne Schonung statt. Die Samthandschuhe waren – wenn sie in diesem Zusammenhang jemals getragen worden waren – längst härteren Bandagen gewichen. Wobei Trents Arbeit natürlich bei Weitem ehrenwerter war als schnöde Industriespionage. Er galt vor allem als Fachmann für experimentelle Antriebe. Dabei hatte er einige Jahre f ür Gauss Industries gearbeitet und genug Sprünge hinter sich, um eine Ahnung vom Irrsinn des Interim geschmeckt zu haben. Auch wenn die Konzerne ihren Söldnern die bestmögliche medizinische Behandlung angedeihen ließen, wusste er doch, dass er nicht als Freak enden wollte. Und genau das war es, was das Interim aus einem machte, wenn man darin zu viel umhersprang. Darum war es ihm schließlich eine Freude gewesen, sich von 2OT Technology abwerben zu lassen und so von den Sprungantrieben wegzukommen.
Trent war lang
Weitere Kostenlose Bücher