Riley Das Mädchen im Licht
beschlich, dass dieser Perseus-Typ mich ansah. Nachdem ich es gewagt hatte, mich kurz umzuschauen, stellte ich fest, dass ich mich nicht geirrt hatte. Aber er sah nicht nur mich an, sondern eigentlich alle. Irgendwie schien er eine Art geistigen Anwesenheitsappell durchzuführen, was wahrscheinlich erklärte, warum alle sich von ihrer besten Seite zeigten.
Bis dahin hatte ich noch nie eine so große Gruppe von Schülern gesehen, die sich derart tadellos verhalten hatten. Vor allem nicht bei einer Versammlung wie dieser. Und ich konnte nur hoffen, dass das nicht immer so ablaufen würde. Dass wir uns nicht alle plötzlich in Engel und Heilige verwandelten, nur weil wir jetzt im Hier waren. Dass sich in dieser Menge zumindest ein möglicher Verbündeter befand, der ein wenig Herumblödeln ebenso sehr zu schätzen wusste wie ich.
Denn wenn das nicht so war, würde ich vor Langeweile sterben.
Ich war so in meine Gedanken versunken, dass ich es nicht einmal bemerkte, als die Musik einsetzte. Die Cheerleaderin stupste mich am Arm an und deutete auf Perseus, der jetzt auf dem Podium stand. Eine Elektrogitarre baumelte vor seiner Brust, und er forderte uns auf, alle im Chor den Song You Can’t Always Get What You Want von den Rolling Stones zu singen. Er wiederholte den Refrain öfter, als ich ihn im Gedächtnis hatte, und spielte sogar noch einige längere Gitarrenriffs dazu, die ich mit Sicherheit noch nie auf den alten CDs meines Dads gehört hatte. Endlich war er uns gnädig und beendete den Song. Dann nahm er erfreut den tosenden Applaus entgegen und streifte umgehend seine Glitzerrobe ab. Darunter kam nur ein weiterer Hippie alter Schule zum Vorschein, mit verwaschenen Jeans, einem alten T-Shirt von einem Rolling-Stones-Konzert und nackten Füßen.
Du hättest letztes Mal dabei sein sollen, als er mit uns Get Off of My Cloud gesungen hat, teilte mir die Cheerleaderin in Gedanken mit und drückte meine Schulter nach unten, um mir zu zeigen, dass wir uns jetzt wieder setzen sollten. Dann beugte sie sich zu mir vor und flüsterte: »Es dauerte ewig. Ich schwöre dir, er wartet nur auf den Augenblick, in dem Mick und Keith auftauchen werden – danach werden wir ihn nie wiedersehen.« Als sie sich dann zurücklehnte, lächelte sie so strahlend, dass ihr ganzer Körper plötzlich von einer herrlichen leuchtend grünen Aura umgeben war.
»Wie machst du das?«, fragte ich sie und ignorierte alle telepathischen Botschaften, die Perseus im Augenblick senden mochte. Stattdessen betrachtete ich ihre langen geflochtenen Zöpfe mit den hübschen bunten Perlen, die an den Enden baumelten, ihre großen braunen Augen, ihre vollen rosafarbenen Lippen und ihre dunkle Haut. Als ich ihren fragenden Blick bemerkte und sah, wie sie ihren Kopf zur Seite neigte, erklärte ich ihr in Gedanken, was ich meinte: Du weißt schon, dieses Glühen. Wie machst du das?
Sie kniff die Augen zusammen und musterte mich langsam und gründlich. Sie begann mit meinen Schuhen und ließ ihren Blick nach oben bis zu meinem Pony wandern, den ich zur Seite gekämmt hatte, so wie ich es vor Kurzem zum ersten Mal ausprobiert hatte. Gerade als sie bereit zu sein schien, mir eine Antwort zu geben, stupste mich der Junge zu meiner Linken an und sagte: »Entschuldige, darf ich mal?«
Ich zog meine Füße zurück und sah zu, wie er sich an meinen Knien vorbeischob, die Treppe hinunterging, die Bühne betrat und sich neben Perseus stellte. Er strahlte so freudig in die Menge, als hätte er soeben etwas unglaublich Wichtiges und Großartiges geleistet. Ich konnte mir allerdings beim besten Willen nicht vorstellen, worum es sich dabei handeln könnte.
Der langweilige Typ vor mir ging ebenfalls nach unten, und ich war total überrascht, als er mit Jubelrufen, Applaus und sogar einigen anerkennenden Pfiffen begrüßt wurde. Nur ein oder zwei Buhrufe waren zu hören. Kurz darauf wandte sich die Cheerleaderin mir zu, legte ihre Hand auf mein Knie und sagte mit deutlichem britischen Akzent: »Du bist neu hier, richtig?«
Ich nickte, obwohl sie mir kaum Zeit dazu ließ und schon nach einer Sekunde weitersprach.
»Das erkenne ich immer sofort. Aber mach dir keine Sorgen. Alle deine Fragen werden letztendlich beantwortet werden. Jede Einzelne davon. Doch erst irgendwann.« Sie musterte mich wieder und fügte hinzu: »Und nicht, bevor du dazu bereit bist.« Und bevor ich etwas darauf sagen konnte, war sie verschwunden.
Der leuchtende Schein, der sie umgab, wehte hinter
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