Riley Das Mädchen im Licht
ihr her, als sie die Stufen hinunterging und die Bühne betrat. Sie winkte uns allen zu, die noch auf der Tribüne saßen. Unsere Blicke trafen sich, und sie sah mich einen Moment lang an, während sie dachte: Bleib ganz ruhig. Die richtige Person wird dich finden und dir den Weg zeigen. Dann wandte sie sich dem doofen Typ zu und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Ich schaute mich um und fragte mich, wo genau diese richtige Person sein könnte. Befand sie sich auf der Bühne? Auf der Tribüne? Oder vielleicht an einem ganz anderen Ort? Und woher hatten die Leute, die jetzt auf der Bühne standen, gewusst, wann sie an der Reihe waren, die Treppen hinunterzusteigen? Ich meine, es war ja nicht so, dass ein Aufruf in Gedanken erfolgt war, oder dass jemand laut eine lange Namensliste verlesen hatte. Irgendwie schien es, als wüssten alle genau, wohin sie gehen mussten, wann es so weit war, und was sie tun sollten, wenn sie dort angekommen waren.
Jeder schien genau zu wissen, was hier vor sich ging – und was das alles bedeutete.
Jeder hatte ein Ziel.
Jeder, außer mir.
Für mich war das alles verwirrend und chaotisch, eine unzusammenhängende Abfolge von Ereignissen.
Aber nachdem ich mich noch etwas umgesehen hatte, erkannte ich, dass möglicherweise doch nicht alles so zufällig ablief, wie es zuerst den Anschein gehabt hatte, denn die Personen auf der Bühne hatten alle etwas gemeinsam.
Eine wichtige, bedeutende Sache, die dem Rest von uns fehlte.
Sie glühten alle.
Ihre Körper waren von einem wunderschönen, schimmernden tiefgrünen Glanz umgeben.
Während der Rest von uns ein Spektrum von unterschiedlichen, gespenstisch blassen Schattierungen darstellte.
Ich streckte meine Hände aus und betrachtete sie gründlich, nur um sicherzugehen, dass ich nichts übersah. Aber, obwohl ich feststellte, dass eine Maniküre dringend fällig war, sah eigentlich alles so aus wie immer. Schlanke Finger, schmale Knöchel, ein oder zwei Sommersprossen, nur kein Glühen in Sicht. Nicht einmal andeutungsweise.
Nachdem die Bühne sich gefüllt hatte, standen alle um mich herum auf und applaudierten. Und da ich nicht zeigen wollte, dass ich komplett ahnungslos war, stand ich ebenfalls auf. Nachdem ich auch noch verstohlen meinen Blazer zurechtgezupft und meinen Rock geglättet hatte, dauerte es nicht mehr lange, bis alles vorbei war und ich mich wieder mit der Menschenmenge vorwärtsschob. Jedem, der so aussah, als wäre er nett genug, meine Frage zu beantworten, rief ich zu: »Wo gehen wir jetzt hin?«
Ich hoffte, dass irgendjemand einem Neuling in Not helfen würde – ein kleiner Schubs in die richtige Richtung oder zumindest in die allgemeine Richtung hätte mir schon genügt -, denn allmählich fühlte ich mich noch hilfloser als zu dem Zeitpunkt, als ich hier angekommen war. Und bisher glich nichts von dem, was ich gesehen hatte, in irgendeiner Weise einer Schule oder ergab irgendeinen Sinn.
»Wir gehen zu dem Ort , der uns zugeteilt wurde, und du gehst zu dem Ort , der dir zugeteilt wurde«, antwortete der Junge vor mir, warf mir über die Schulter einen kurzen Blick zu und fügte in einem wenig freundlichen Ton hinzu: »Wohin denn sonst?« Meine Wangen röteten sich, und ich presste meine Lippen fest aufeinander.
Ich atmete tief ein (und, nein, ich muss nicht mehr atmen, aber manche Angewohnheiten lassen sich nur schwer ablegen) und gab mir Mühe, für mich zu bleiben und einfach mit der Masse mitzulaufen. Etliche Fragen schossen mir durch den Kopf. Wo zum Teufel gingen wir hin, warum verhielten sich hier alle so still und gehorsam? Nicht zu vergessen – wo genau waren diese angeblichen Freunde, die ich hier finden würde, wie meine Eltern mir versprochen hatten? Diejenigen, mit den gleichen Interessen, die so wie ich gern mal herumalberten und Spaß hatten?
Je mehr ich mich umschaute, umso mehr war ich davon überzeugt, dass dies die merkwürdigste Schule war, die ich jemals gesehen hatte.
Und was die Schüler betraf, galt das ebenso – sie waren auch seltsam.
Und es führte kein Weg daran vorbei – diese ganze Sache machte mir tierisch Angst.
Ich hoffte verzweifelt, jemanden zu finden, mit dem ich reden konnte, jemanden, der mir sagen würde, wohin wir alle gingen – und was mich erwartete, wenn wir dort angekommen waren.
Aber – nichts.
Die meisten sahen mich nicht einmal an, und die wenigen, die es taten, lächelten nur höflich und schauten dann schnell wieder weg. Und das erzeugte in mir ein so starkes
Weitere Kostenlose Bücher