Riley Das Mädchen im Licht
Samtvorhängen verborgen war, und davor Sitzreihen mit weich gepolsterten, bequemen Stühlen. Obwohl der Raum sehr nett aussah und in keiner Weise etwas Bedrohliches an sich hatte, konnte ich das schreckliche Gefühl nicht unterdrücken, das in meinem Bauch aufstieg und mir befahl, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden, bevor es zu spät war. Und gerade als ich mich umdrehte, um ihn zu fragen, ob es sich hier um einen Schabernack handelte, eine Art lahmes Aufnahmeritual für eine neue Schülerin, drückte er mir eine Hand zwischen meine Schulterblätter und schob mich hinein.
»Viel Glück – du wirst es brauchen!«, sagte er und schlug die Tür hinter mir zu.
SECHS
I ch griff nach der Türklinke, um so schnell wie möglich aus dem Raum zu kommen, ihm hinterherzulaufen und ihm ordentlich die Meinung zu geigen. Das wäre mir auch beinahe gelungen, doch dann rief mir plötzlich jemand aus dem hinteren Teil des Raums etwas zu. Mürrisch verzog ich das Gesicht und drehte mich um; auf keinen Fall wollte ich auch nur einen Moment länger hierbleiben. Ein Wesen, das wohl ein Engel war, stand mir direkt gegenüber.
Ein unglaublich schöner, glitzernder Engel.
Der erste, der mir erschienen war, seit ich mich im Hier befand.
»Riley?« Sie sah mich so liebevoll an, dass sich meine Miene sofort glättete. »Du bist doch Riley, richtig?«
Ich nickte. Mehr brachte ich nicht zu Stande. Ich war so eingeschüchtert und überwältigt von ihrer Erscheinung, ihren langen, glänzenden Locken, die abwechselnd in allen Tönen von Blond bis Braun und Schwarz bis Rot schimmerten, bis sich dieser Ablauf wiederholte. Das Gleiche fand mit ihrer Haut statt – sie verfärbte sich von blassem Weiß zu dunklem Ebenholz und zeigte beim Übergang sämtliche Zwischentöne. Und ihr Kleid, eine funkelnde Robe, rauschte und schimmerte, als wäre sie aus einer riesigen Wolke aus Sternennebel und meterlangen Seidenfäden gewebt worden. Das Einzige, was fehlte, waren Flügel – falls sie welche hatte, konnte ich sie nicht sehen.
Sie lächelte und gab mir mit der Hand ein Zeichen, näher zu treten, und ich folgte ihr sofort, ohne weiter darüber nachzudenken. Sie war derart faszinierend und atemberaubend, dass ich nicht widerstehen konnte. Das strahlende Licht, das von ihr ausging, war so pulsierend, so kräftig und so … violett, dass die Cheerleaderin und der Sonderling im Vergleich dazu aussahen wie ausgebrannte Glühbirnen. Und obwohl ich mir sicher war, dass ich sie noch nie zuvor getroffen hatte, kam sie mir auf merkwürdige Weise bekannt vor. Und in dem Moment, in dem sie mich anlächelte und mich aus freundlichen Augen musterte, wusste ich, warum – sie sah aus wie eine zum Leben erwachte Märchenprinzessin.
»Wir freuen uns sehr, dich zu sehen«, sagte sie und faltete die Hände vor ihrer Brust.
Wir?
Ich blinzelte einmal, zweimal und stellte überrascht fest, dass die Sitze, die noch einen Augenblick zuvor leer gewesen waren, nun von einer kleinen Gruppe mit Roben bekleideter Leute besetzt waren. Obwohl sie auch leuchteten, strahlte keiner von ihnen annähernd so hell wie der wunderschöne Engel vor mir.
»Ich bin Aurora«, sagte sie, und, ehrlich gesagt, überraschte mich das kein bisschen. Wenn sich jemand einen solchen Namen leisten konnte, dann sie. »Und das hier ist Claude.« Sie zeigte auf einen Jungen mit einem dunklen Pferdeschwanz, der gut zu seinem zotteligen Bart passte und ihm fast bis zur Taille reichte. »Und Royce.« Sie deutete mit einem Kopfnicken auf den Jungen neben Claude, der mit seinem welligen braunen Haar, der dunklen Haut und den glitzernden grünen Augen so heiß aussah, dass er auf der Erdebene mit Sicherheit einen umschwärmten Filmstar abgegeben hätte. Der Junge rechts neben ihm hieß Samson, und er sah ungelogen so alt aus, dass er schon wieder jung aussah, so als ob der Kreis sich geschlossen hätte – und mir ist klar, dass diese Beschreibung nicht wirklich Sinn ergibt. Neben Samson saß Celia. Sie war so zierlich, dass sie wie die Miniaturausgabe eines Menschen wirkte, und ihr cremefarbenes Kleid war mit leuchtenden Blüten und zarten Rankengewächsen bestickt.
Aber obwohl sie mich alle so freundlich empfingen und ganz und gar nicht bedrohlich wirkten und obwohl sie alle in verschiedenen Farbtönen glühten, angefangen von Celias Kornblumenblau bis zu Auroras pulsierendem Violett, konnte ich das ungute Gefühl nicht unterdrücken, das in mir aufstieg und immer stärker wurde.
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