Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund
natürlich.« Tom hatte sich schon gefragt, wie er das Gespräch auf Trevanny bringen sollte.
»Nun, was Sie gehört haben – daß er bald sterben muß–, also, das stimmt gar nicht.« Gauthier lächelte.
»Ach nein? Na, wie schön! Das freut mich.«
»Ja. Monsieur Trevanny ist deshalb sogar zu seinem Hausarzt gegangen. Ich glaube, er war ein bißchen verstört. Wer wäre das nicht? Ha, ha. – Aber Monsieur Riipley, sagten Sie nicht, jemand hätte es Ihnen erzählt?«
»Ja. Ein Mann auf der Party damals im Februar. Madame Trevannys Geburtstagsparty. Sehen Sie, ich nahm an, es stimmte und jeder wüßte davon.«
Gauthier machte ein nachdenkliches Gesicht.
»Haben Sie mit Monsieur Trevanny gesprochen?«
»Nein, das nicht. Aber mit seinem besten Freund, an einem anderen Abend im Haus der Trevannys. Diesen Monat war das. Offenbar hatte Monsieur Trevanny es ihm erzählt. Wie schnell sich so etwas herumspricht!«
»Mit seinem besten Freund?« fragte Tom unschuldig nach.
»Einem Engländer. Alain Soundso. Er wollte tags darauf nach Amerika. Aber… Monsieur Riipley, wissen Sie noch, wer Ihnen das erzählt hat?«
Bedächtig schüttelte Tom den Kopf. »Den Namen weiß [47] ich nicht mehr, noch nicht einmal, wie der Mann aussah. An dem Abend waren so viele Leute da.«
»Es ist nämlich so…« Gauthier beugte sich zu ihm herüber und flüsterte, als wären sie nicht allein. »Monsieur Trevanny hat mich gefragt, woher ich es habe, und natürlich habe ich Ihren Namen nicht genannt. So was wird leicht mißverstanden. Ich wollte ja nicht, daß Sie Ärger bekommen. Ha!« Gauthiers glänzendes Glasauge lachte nicht; es starrte unverwandt, als liege hinter diesem Auge ein zweites, anderes Gehirn, ein Computerhirn, das sofort alle Antworten wußte, wenn es nur richtig programmiert wurde.
»Vielen Dank. Es gehört sich nämlich nicht, falsche Gerüchte über anderer Leute Gesundheit in die Welt zu setzen, oder?« Tom grinste, wollte schon gehen, fügte dann aber noch hinzu: »Andererseits sagten Sie doch, Monsieur Trevanny habe eine Blutkrankheit?«
»Ja, das stimmt auch. Ich glaube, er hat Leukämie. Aber er lebt damit. Seit Jahren schon, wie er mir einmal erzählt hat.«
Tom nickte. »Auf jeden Fall freue ich mich, daß er nicht in Lebensgefahr schwebt. A bientôt, Monsieur Gauthier. Und nochmals vielen Dank.«
Tom ging zu seinem Wagen. Trevannys Schock dürfte zwar nur wenige Stunden gedauert haben, bis er mit seinem Hausarzt gesprochen hatte, doch sein Selbstvertrauen hatte dadurch wohl mindestens einen kleinen Knacks bekommen. Einige Leute, vielleicht auch Trevanny selber, hatten gedacht, daß er nur noch wenige Wochen leben würde, was bei einem Mann mit Trevannys Leiden nicht unvorstellbar war. Zu schade, daß Trevanny nun wieder [48] beruhigt war, aber womöglich brauchte Reeves nicht mehr als diesen kleinen Knacks. Nun würde das Spiel in die zweite Phase treten. Trevanny würde zu dem Vorschlag wahrscheinlich nein sagen. In diesem Fall war das Spiel zu Ende. Andererseits würde Reeves seine Avancen natürlich so vorbringen, als habe er einen Todgeweihten vor sich. Es wäre amüsant zu beobachten, wie Trevanny schwach würde. Noch am selben Tag, nach dem Mittagessen mit Héloïse und ihrer Pariser Freundin Noëlle, ging Tom auf sein Zimmer und schrieb Minot einen Brief auf seiner Schreibmaschine.
28. März 19–
Lieber Reeves,
ich hätte da jemanden für Sie, falls Sie noch niemand gefunden haben. Sein Name ist Jonathan Trevanny, Anfang Dreißig, Engländer, Bilderrahmer, verheiratet mit einer Französin, ein kleiner Sohn. (Hier nannte Tom Trevannys Privat- und Geschäftsadresse sowie die Telefonnummer seines Ladens.) Er scheint Geld gebrauchen zu können, und auch wenn er vielleicht nicht genau der Typ ist, den Sie suchen, sieht er mir doch aus wie die Unschuld und Anständigkeit in Person. Was noch wichtiger ist: Wie ich herausgefunden habe, bleiben ihm nur noch wenige Monate oder gar Wochen zu leben. Er hat eben erst die schlimme Nachricht erhalten, daß er Leukämie hat – vielleicht ist er jetzt bereit, einen gefährlichen Auftrag zu übernehmen, der ihm einiges Geld bringt.
Persönlich kenne ich Trevanny nicht, und es versteht sich von selbst, daß ich ihn weder kennenlernen noch [49] meinen Namen genannt wissen will. Wenn Sie sich selbst ein Bild von ihm machen wollen, würde ich vorschlagen, Sie kommen nach F’bleau, nehmen sich für ein paar Nächte ein Zimmer im reizenden Hôtel de
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