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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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denken, dürfte Ihnen eine solche nicht unbeträchtliche Summe durchaus angenehm sein. Sie könnten aufhören zu arbeiten und das Leben… Ich meine, Sie könnten zum Beispiel mit Ihrer Familie eine Kreuzfahrt rund um die Welt machen und Ihrer Frau dennoch genug Geld hinterlassen…«
    Eine Schwäche überkam ihn, er stand auf und atmete tief durch. Die Schwäche verging, doch er blieb lieber stehen. Wister redete weiter, aber Jonathan hörte kaum noch zu.
    »…meine Idee. Einige Leute in Hamburg würden ihren Teil zu den sechsundneunzigtausend Dollar beitragen. Der Mann, oder besser die Männer, die wir aus dem Weg räumen wollen, gehören zur Mafia.«
    [56]  Jonathan hatte sich noch nicht ganz wieder erholt. »Danke, aber ich bin kein Killer. Das Thema hat sich damit erledigt.«
    Wister fuhr fort: »Aber genau das wollen wir ja: jemanden, der weder mit einem von uns noch mit Hamburg in Verbindung gebracht wird. Allerdings muß der erste Mann – nur ein kleiner Fisch, mehr nicht – in Hamburg erschossen werden. Und zwar deshalb, weil wir wollen, daß die Polizei einen Bandenkrieg der lokalen Mafia vermutet. Wir wollen, daß die Polizei auf unserer Seite steht.« Immer noch ging er auf und ab, den Blick zumeist gesenkt. »Der erste Mann sollte in einer Menschenmenge erschossen werden, im Gedränge der U-Bahn. So nennen wir die Subway. Sie würden Underground sagen. Der… der Attentäter läßt die Waffe sofort fallen, verliert sich in der Menge und verschwindet. Eine italienische Pistole, keine Fingerabdrücke. Keine Spuren.« Wie ein Dirigent nach dem letzten Ton ließ er die Hände sinken.
    Jonathan ging zum Sessel zurück, er mußte sich kurz setzen. »Nein, tut mir leid.« Er würde zur Tür gehen, sobald er wieder bei Kräften war.
    »Ich bin morgen den ganzen Tag hier, wahrscheinlich bis zum späten Sonntagnachmittag. Denken Sie doch darüber nach. – Noch einen Scotch? Könnte Ihnen guttun.«
    »Nein, danke.« Jonathan rappelte sich hoch. »Ich gehe jetzt lieber.«
    Wister nickte. Er wirkte enttäuscht.
    »Und danke für den Drink.«
    »Keine Ursache.« Wister hielt ihm die Tür auf.
    Jonathan ging hinaus. Er hatte erwartet, Wister werde [57]  ihm seine Visitenkarte mit Name und Adresse in die Hand drücken. Und war froh, daß er es nicht getan hatte.
    In der Rue de France waren die Straßenlaternen angegangen. 19   :   22   Uhr. Sollte er etwas für Simone besorgen? Brot vielleicht. Jonathan betrat eine Bäckerei und kaufte ein langes Baguette. Es tat ihm gut, diese vertraute Aufgabe zu erledigen.
    Zum Abendessen gab es Gemüsesuppe, ein paar übriggebliebene Scheiben fromage de tête und Tomatensalat mit Zwiebeln. Simone erzählte von einem Schlußverkauf in einem Tapetenladen nicht weit von ihrem Schuhgeschäft. Für hundert Franc könnten sie das Schlafzimmer neu tapezieren; sie hatte ein schönes Muster gesehen, grün und lila, sehr dezent und très art nouveau.
    »Weißt du, Jon, das Schlafzimmer ist so dunkel mit nur einem Fenster.«
    »Klingt nicht schlecht«, sagte Jonathan, »besonders wenn es ein Sonderangebot ist.«
    »Das ist es, und zwar nicht wie bei diesen dämlichen Schlußverkäufen, wo alles fünf Prozent runtergesetzt wird, wie bei meinem knauserigen Chef.« Sie tauchte ein Stück Brotkruste in das Salatöl und schob es in den Mund. »Machst du dir Sorgen? Ist etwas passiert?«
    Jonathan mußte lächeln. Sorgen hatte er keine. Er war froh, daß Simone weder seine kleine Verspätung noch den großen Drink bemerkt hatte. »Nein, chérie. Nichts ist passiert. Vielleicht ist es das Ende der Woche. Oder doch fast das Ende.«
    »Bist du erschöpft?«
    Das klang wie die schon routinemäßige Frage eines [58]  Arztes. »Nein… Ich muß heute abend noch einen Kunden anrufen, zwischen acht und neun.« Es war 20   :   37   Uhr. »Am besten erledige ich das gleich, Liebes. Den Kaffee trinke ich vielleicht später.«
    »Kann ich mitkommen?« fragte Georges. Er ließ die Gabel fallen und lehnte sich schon zurück, um vom Stuhl zu rutschen.
    »Heute nicht, mon petit vieux. Ich habe es eilig. Und ich kenne dich, du willst bloß wieder flippern.«
    »Hollywood Chewing Gum!« krähte Georges. Er sprach es französisch aus: »›Olliwuh schuing gomm!‹«
    Jonathan, der gerade seine Jacke vom Haken im Flur nahm, zuckte innerlich zusammen. »Hollywood«-Kaugummi, dessen grünweißes Einwickelpapier die Rinnsteine und gelegentlich auch Jonathans Garten verunzierte, übte auf französische Kinder

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