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Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund

Titel: Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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L’Aigle Noir, rufen Trevanny in seinem Laden an und sprechen selber mit ihm. Ich brauche Ihnen wohl kaum zu sagen, daß Sie nicht Ihren richtigen Namen nennen sollten.
    Tom war auf einmal voller Zuversicht, was das Projekt anging. Bei der Vorstellung, wie Reeves mit seiner unsicheren, ängstlichen Art, die schon fast redlich wirkte, Trevanny, diesem Ausbund an Anständigkeit, einen solchen Vorschlag unterbreitete, mußte er lachen. Ob er es wagen sollte, sich an einen anderen Tisch zu setzen, wenn Reeves sich im Speisesaal oder in der Bar des Aigle Noir mit Trevanny traf? Nein, das wäre zuviel des Guten. Dabei fiel Tom noch etwas ein, und er fügte hinzu:
    Sollten Sie nach F’bleau kommen, dann rufen Sie mich bitte unter keinen Umständen an und schreiben Sie mir nicht. Bitte vernichten Sie diesen Brief auf der Stelle.
    Mit herzlichen Grüßen,
    Ihr Tom

[50]  4
    Am Freitag, den 31.   März klingelte nachmittags das Telefon in Jonathans Laden. Er klebte gerade braunes Papier auf die Rückseite eines großen Bildes und mußte noch geeignete Gewichte zum Beschweren finden – einen alten Backstein mit der Aufschrift LONDON , den Leimtopf und einen Holzhammer –, bevor er abheben konnte.
    »Hallo?«
    » Bonjour, M’sieur. Monsieur Trevanny…? Sie sprechen Englisch, nicht? Hier ist Stephen Wister, W-i-s-t-e-r. Ich bin für ein paar Tage in Fontainebleau. Ob Sie wohl einen Augenblick Zeit für mich hätten? Ich würde gern etwas mit Ihnen besprechen. Die Sache könnte Sie interessieren.«
    Der Mann sprach mit amerikanischem Akzent. »Ich kaufe keine Bilder«, erwiderte Jonathan. »Ich rahme sie nur.«
    »Worum es geht, hat nichts mit Ihrer Arbeit zu tun. Am Telefon kann ich das nicht erklären… Ich wohne im Aigle Noir.«
    »Ah ja?«
    »Hätten Sie heute abend nach Ladenschluß kurz Zeit? So gegen halb sieben, sieben? Auf einen Drink oder einen Kaffee vielleicht?«
    »Ja, aber ich wüßte gerne, warum Sie mich sprechen wollen.« Eine Frau hatte das Geschäft betreten – Madame [51]  Tissot oder Tissaud? –, um ein Bild abzuholen. Jonathan lächelte ihr entschuldigend zu.
    »Das werde ich erklären, wenn wir uns sehen«, sagte der Mann leise und ernst. »Es dauert nur zehn Minuten. Hätten Sie heute Zeit, sagen wir, um sieben?«
    Jonathan trat von einem Bein aufs andere. »Halb sieben ginge auch.«
    »Wir treffen uns in der Hotelhalle. Ich trage einen graukarierten Anzug. Aber ich werde dem Portier Bescheid sagen. Wir finden uns schon.«
    Für gewöhnlich schloß Jonathan gegen halb sieben. Um Viertel nach sechs stand er an der Spüle und schrubbte sich die Hände mit kaltem Wasser. Ein milder Frühlingstag, er trug einen Rollkragenpullover unter der alten beigen Cordjacke. Nicht elegant genug für das Aigle Noir, und sein zweitbester Regenmantel hätte alles nur noch schlimmer gemacht. Doch was scherte ihn das? Der Mann wollte ihm etwas verkaufen. Nur darum konnte es gehen.
    Vom Laden waren es nur fünf Minuten zu Fuß bis zum Hotel. Davor lag ein kleiner Hof, von einem hohen Eisengitter umgeben. Ein paar Stufen führten hinauf zum Hoteleingang. Jonathan sah einen schlanken, angespannt wirkenden Mann mit Bürstenhaarschnitt unsicher näher kommen und sagte: »Mr.   Wister?«
    »Ja.« Ein Lächeln zuckte um Minots Mundwinkel; er streckte die Hand aus. »Wollen wir hier in der Bar etwas trinken oder wäre Ihnen woanders lieber?«
    Die Hotelbar war angenehm ruhig. Jonathan antwortete achselzuckend: »Ganz wie Sie wollen.« Er bemerkte eine lange, gräßliche Narbe auf Wisters Wange.
    [52]  Durch eine breite Tür betraten sie die Hotelbar. Bis auf einen Mann und eine Frau an einem kleinen Tisch war der Raum leer. Wister drehte sich um, als störe ihn die Stille, und sagte: »Gehen wir woanders hin.«
    Sie verließen das Hotel und wandten sich nach rechts. Die nächste Bar kannte Jonathan: das Café du Sport oder so ähnlich, um diese Zeit laut und voll, mit jungen Leuten an den Flippern und Arbeitern an der Theke. Auf der Schwelle blieb Wister stehen, als wäre er unverhofft mitten im Gefecht auf ein Schlachtfeld geraten.
    Im Umdrehen sagte er: »Würden Sie vielleicht mit auf mein Zimmer kommen? Dort ist es ruhig, und wir können uns etwas bringen lassen.«
    Sie gingen zum Hotel zurück, nahmen die Treppe zum ersten Stock und betraten ein schönes Zimmer im spanischen Stil: schwarzes Gußeisen, eine himbeerrote Bettdecke und ein blaßgrüner Teppich. Nur ein Koffer unter dem Schrank zeigte an, daß der Raum

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