Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund
bewohnt war. Die Tür war nicht verschlossen gewesen. »Was wollen Sie trinken?« Wister ging zum Telefon. »Scotch?«
»Ja, gut.«
In holperigem Französisch bestellte der Amerikaner eine Flasche aufs Zimmer und bat um reichlich Eis.
Eine Stille trat ein. Warum war der Mann so nervös? Jonathan blieb am Fenster stehen und schaute hinaus. Offenbar wollte Wister erst reden, wenn die Drinks da waren. Ein leises Klopfen an der Tür.
Ein Kellner kam herein: weißes Jackett, ein Tablett in der Hand und ein freundliches Lächeln auf dem Gesicht. Stephen Wister schenkte großzügig ein.
[53] »Hätten Sie Interesse, etwas Geld zu verdienen?«
Jonathan lächelte. Er hatte es sich mit dem dreifachen Scotch auf Eis in einem Sessel bequem gemacht. »Wer hätte das nicht?«
»Der Auftrag, an den ich denke, ist gefährlich, oder sagen wir besser, er ist wichtig, und ich bin bereit, gut dafür zu zahlen.«
Rauschgift, dachte Jonathan. Wahrscheinlich sollte er das Zeug ausliefern oder versteckt halten. »Was machen Sie beruflich?« erkundigte er sich höflich.
»Dies und das. Zur Zeit bin ich – nun, sagen wir, im Glücksspielgeschäft… Spielen Sie?«
»Nein.« Jonathan lächelte.
»Ich auch nicht. Darum geht es auch gar nicht.« Wister stand von der Bettkante auf und ging langsam im Zimmer auf und ab. »Ich wohne in Hamburg.«
»Ach ja?«
»Glücksspiel ist innerhalb der Stadtgrenzen verboten, trotzdem findet es in privaten Clubs statt. Doch es geht nicht darum, ob es legal oder illegal ist. Ich muß eine Person ausschalten lassen, vielleicht auch zwei, und womöglich muß noch… etwas gestohlen werden. So, nun habe ich meine Karten auf den Tisch gelegt.« Ernst und doch hoffnungsvoll sah er Jonathan an.
Ausschalten, das hieß umbringen. Jonathan, verblüfft, schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich frage mich, woher Sie meinen Namen haben.«
Stephen Wister lächelte nicht. »Das tut nichts zur Sache.« Er ging weiter auf und ab, den Drink in der Hand, und streifte Jonathan ab und zu mit einem Blick seiner [54] grauen Augen. »Wären Sie an sechsundneunzigtausend Dollar interessiert? Das sind vierzigtausend Pfund oder rund vierhundertachtzigtausend Franc – neue Franc, wohlgemerkt. Nur dafür, daß Sie einen Mann erschießen, vielleicht auch zwei. Wir müssen sehen, wie es läuft. Alles wird so vorbereitet, daß Sie nicht in Gefahr geraten.«
Wieder schüttelte Jonathan den Kopf. »Ich weiß nicht, woher Sie gehört haben wollen, ich – ich würde für Geld Leute umbringen. Sie müssen mich mit jemandem verwechseln.«
»Nein, nein, durchaus nicht.«
Unter dem durchdringenden Blick des Mannes erstarb Jonathans Lächeln. »Das ist ein Irrtum… Vielleicht sagen Sie mir, warum Sie auf mich verfallen sind?«
»Na ja, Sie…« Wister wirkte gequälter denn je. »Sie haben nur noch wenige Wochen zu leben. Sie wissen das. Sie haben eine Frau und einen kleinen Sohn, nicht? Würden Sie denen nicht gern ein bißchen was hinterlassen?«
Jonathan spürte, wie das Blut aus seinen Wangen wich. Woher wußte der Mann so viel? Dann begriff er, daß alles miteinander zusammenhing, daß, wer immer Gauthier erzählt hatte, er werde bald sterben, Wister kannte und irgendwie in Verbindung mit ihm stand. Jonathan würde Gauthiers Namen nicht nennen. Gauthier war ein anständiger Mensch, und Wister war ein Gauner. Auf einmal schmeckte Jonathan sein Scotch nicht mehr. »Neulich war da ein wildes Gerücht…«
Nun war es an Wister, den Kopf zu schütteln. »Das ist kein wildes Gerücht. Unter Umständen hat Ihnen Ihr Arzt nicht die Wahrheit gesagt.«
[55] »Und Sie wollen mehr wissen als er? Mein Arzt lügt mich nicht an. Ja, ich habe eine Blutkrankheit, doch – doch es geht mir dieser Tage nicht schlechter als…« Er brach ab. »Kurz und gut, ich fürchte, ich kann Ihnen nicht helfen, Mr. Wister.«
Wister biß sich auf die Unterlippe, dabei wand sich die lange Narbe widerlich wie ein lebender Wurm.
Jonathan sah weg. Womöglich belog Dr. Perrier ihn doch. Er sollte morgen früh das Labor in Paris anrufen und ein paar Fragen stellen oder einfach nach Paris fahren und sich alles noch einmal erklären lassen.
»Mr. Trevanny, leider sind Sie offenbar nicht ganz im Bilde. Wenigstens ist Ihnen das, was Sie ein Gerücht nennen, schon zu Ohren gekommen, so daß Sie die schlimme Nachricht nicht von mir erfahren müssen. Selbstverständlich ist es Ihre eigene freie Entscheidung, aber unter diesen Umständen, würde ich
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