Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)

Eltern: Besser Vorsicht als Nachsicht. »Unklare Bauchschmerzen« können Kindern einen CT -Scan der Bauch- und Beckenhöhle einbringen; »Husten« verlangt möglicherweise nach einer Brust- CT . Ein Hauptgrund für die Zunahme von CT -Scans bei Kindern ist die Diagnose von Blinddarmentzündungen, obwohl es keinen Beleg dafür gibt, dass dies genauer ist als ungefährlichere Methoden wie die körperliche Untersuchung und Ultraschall. 66
    Ein überflüssiger CT -Scan ist nicht einfach nur Geldverschwendung. Die Strahlendosen bei der CT sind in der Regel rund 100-mal so hoch wie bei einem Röntgenbild des Brustraums, der Mammografie oder ähnlichen Durchleuchtungen. 67 Wie viel ist das? Je nach Gerät und untersuchtem Organ liegt die effektive Strahlendosis im Bereich von 15 Millisievert (mSv) bei einem Erwachsenen bis 30 mSv bei einem Neugeborenen. Die Strahlenexposition bei einer CT -Untersuchung mit mehreren Scans ist mit der durchschnittlichen Belastung der Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki zu vergleichen, die zwei bis drei Kilometer von Ground Zero entfernt waren (sie betrug etwa 40 mSv; Bereich: 5–100 mSv). 68 Infolgedessen ergeben sich aus den mehr als 70 Millionen CT -Scans, die in den USA pro Jahr an Kindern und Erwachsenen durchgeführt werden, geschätzte 29000 Krebserkrankungen. 69 Dabei sind Kinder für die Strahlungsfolgen anfälliger als Erwachsene. Ihr Hirngewebe wächst, ihre Zellen teilen sich rasch, und ihre DNA wird leichter geschädigt. 1500 der amerikanischen Kinder, die jedes Jahr CT -Scans absolvieren, werden möglicherweise später in ihrem Leben an Krebs sterben. 70
    Warum bewahren Eltern ihre Kinder nicht vor überflüssigen Strahlungsdosen? Sie würden es wahrscheinlich, wenn sie Bescheid wüssten. Betrachten Sie die folgende Alternative:
    Was wäre Ihnen lieber: ein kostenloser Ganzkörper- CT -Scan oder 1000 Dollar in bar?
    Eine repräsentative Stichprobe von 500 Amerikanern in der Altersgruppe der über 40-Jährigen sollte zwischen den beiden Möglichkeiten wählen. Drei Viertel von ihnen entschieden sich für den CT -Scan und waren bereit, auf das Geld zu verzichten. 71 Nur sehr wenige vermochten sich vorzustellen, dass es, abgesehen von der Unbequemlichkeit während der Untersuchung, noch irgendwelche Nachteile gab. Sie wussten nicht, das zwei von hundert 45-Jährigen, die bis zu ihrem 75. Lebensjahr jährlichen Ganzkörper- CT -Scans unterzogen werden, wahrscheinlich infolge der Strahlung an Krebs sterben werden. 72
    Patienten, an denen solche Scans tatsächlich vorgenommen werden, erweisen sich als ähnlich zuversichtlich. Forscher der Yale University befragten Patienten aller Altersgruppen, die leichte bis mäßige Schmerzen in Bauch, Becken oder an den Seiten hatten. Praktisch keiner der Befragten glaubte, CT -Scans könnten sein Lebenszeitrisiko für Krebserkrankungen erhöhen.
    Wie können so viele Patienten so unwissend sein? Schließlich hatten sie alle die Möglichkeit, mit den Notfallmedizinern zu sprechen, die die Tests anordneten. 73 Es gibt eine einfache Antwort: Viele Ärzte wissen es selbst nicht. Fast alle Ärzte in der Notaufnahme des Yale-Klinikums, die die CT -Scans veranlassten, und mehr als die Hälfte der Radiologen, die sie durchführten, gingen von der irrigen Annahme aus, dass kein Lebenszeitrisiko für Krebs bestehe. Als die Ärzte nach der Strahlendosis gefragt wurden, wussten weniger als ein Viertel der Notfallmediziner und Radiologen, dass sie 100-mal höher ist als bei einer Röntgenaufnahme des Brustraums. Die meisten glaubten, sie sei nur zehnmal so hoch, und einige hielten sie sogar für niedriger.
    Warum werden überflüssige CT -Scans an Kindern durchgeführt? Wie wir gerade gesehen haben, wissen viele Ärzte und Eltern nichts von der Strahlenbelastung, der die kindlichen Gewebe bei CT -Scans ausgesetzt sind. Ein weiterer Grund sind Interessenkonflikte. In einem auf Einzelleistungsvergütung beruhenden System verlieren die Krankenhäuser Geld, wenn sie keine überflüssigen Scans vornehmen, um die Eltern zu »beruhigen«. Ein dritter Grund ist die defensive Medizin: Die Ärzte verordnen überflüssige CT s aus Angst vor Schadenersatzklagen der Eltern. Man schätzt, dass auf 1000 Kinder, die einem CT -Scan unterzogen wurden, eines kommt, das irgendwann in seinem Leben an einem strahlenbedingten tödlichen Krebs erkrankt. 74 Doch ein Arzt muss kaum mit rechtlichen Konsequenzen rechnen, wenn das 30 Jahre später geschieht und das Kind längst