Riskante Liebe
gleichberechtigt nebeneinander, lieben sich und ziehen ihre Kinder selbst groß. Sie können sogar mit Geräten fliegen.«
Hinter mir entstand aufgeregtes Getuschel und Gemurmel, das immer mehr anschwoll. Serattas Gesicht war mittlerweile dunkelrot vor Zorn. Drohend richtete sie ihren Speer auf mich, während ihre Wächterinnen einige Schritte nach vorn traten und die anderen einkreisten. Sofort wurde es ruhig. Außer dem Knistern der Flammen und dem Bersten und Knacken der Holzscheite war nichts zu vernehmen, bis Seratta sich von meinem Angriff erholt hatte.
»Hör mit deinen Lügen auf. Du hast eine sehr lebhafte Einbildungskraft.«
Mit einem Lächeln, das mich in seiner Bösartigkeit erschauern ließ, erklärte sie:
»Du bist also der Ansicht, dass Männer nicht grausam und gefährlich sind?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, schrie sie:
»Du wirst die heutige Nacht im Gatter bei den Relianten verbringen. Und egal, was passiert, es wird dich niemand vor Tagesanbruch dort herausholen .«
Eisiger Schreck durchzuckte mich. Die Wächterinnen nahmen mich grimmig blickend in ihre Mitte, und da ich nicht mit ihren Speerspitzen in Berührung kommen wollte, musste ich wohl oder übel mitgehen. Meine Dorfmitbewohnerinnen waren aufgestanden und wichen vor unserer Gruppe zurück. Keine von ihnen wagte es, mir ins Gesicht zu blicken, bis auf Zaria. Ihre Augen zeigten einen halb bewundernden, halb besorgten Ausdruck, als ich dicht an ihr vorbeikam. Unvermittelt schoss Angst in mir hoch. Die Relianten waren jahrelang von uns Frauen unterdrückt und misshandelt worden. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, was sie mit einer von uns in einer Nacht anstellen würden, vor allem, wenn sie dazu Serattas ausdrückliche Erlaubnis hatten … In meinem grenzenlosen Zorn hatte ich tatsächlich geglaubt, ich bräuchte meinen Dorfgenossinnen nur die Augen über Serattas Lügen öffnen und sie würden mir beistehen. Aber ihre Angst war immer noch zu groß. Sie würden sich nie gegen Seratta auflehnen. Ich schimpfte mich innerlich eine Idiotin. Hätte ich doch nur auf Jolaria gehört und wäre in den Wald geflüchtet, anstatt unsere Anführerin herauszufordern.
Schon hatten wir die Stelle erreicht, an der das Gatter durch eine kleine Tür, die mit schweren Holzbohlen gesichert war, betreten werden konnte. Zwei Wächterinnen standen auf beiden Seiten und blickten uns neugierig entgegen. Seratta, die vorausgeschritten war, bedeutete ihnen, die Tür zu öffnen. Bevor sie mich ins Innere der Zaunumrandung stießen, erklärte sie:
»Wenn du morgen früh noch dazu in der Lage bist, dann kannst du dich bei mir für deine Respektlosigkeit entschuldigen.«
Durch einen harten Stoß mit der stumpfen Seite ihres Speers stolperte ich durch die kleine Tür, die sofort wieder hinter mir geschlossen wurde.
Ich blieb, wo ich war, mit der geschlossenen Tür in meinem Rücken, stehen und blickte ängstlich nach vorn in die scheinbar undurchdringliche Dunkelheit. Langsam gewöhnten sich meine Augen an den verhangenen Schein des halben Mondes, der über mir am Himmel stand und ich konnte den kärglichen Unterstand am gegenüberliegenden Ende des Zaunes, etwa dreißig Schritte von mir entfernt, erkennen. Auch die zerlumpten bärtigen Gestalten, die dort eng aneinander gekauert, um sich gegenseitig Wärme zu spenden, herumlagen oder saßen, sah ich zunehmend deutlicher. In die Gruppe der Relianten war Bewegung gekommen, seitdem man mich zu ihnen hineingestoßen hatte. Sie richteten sich ungläubig auf und starrten zu mir herüber. Ich hörte sie aufgeregt wispern. »Eine Frau. Noch dazu eine junge. Seratta hat tatsächlich eine Frau zu uns geschickt.« Ich sah, wie die ersten begannen, langsam in meine Richtung zu kriechen. Einer hatte sich aufgerichtet und machte Anstalten, auf mich zuzugehen. Rasch kramte ich meine gut verborgene Schleuder hervor und schoss ihm einen Stein direkt vor die Füße.
»Der nächste trifft dich«, warnte ich laut. Er tat einen weiteren Schritt nach vorne, lachte rau und die anderen fielen in das unheilverkündende Gelächter ein.
»Wir sind zu viele, Mädchen. Irgendwann kriegen wir dich. Es nützt dir nichts, Steine zu werfen.«
Statt einer Antwort ließ ich die Schleuder erneut kreisen und traf ihn hart am Knie. Schmerzerfüllt heulte er auf und fiel zu Boden. Die anderen wichen zurück.
Mir war kalt. Müde ließ ich mich langsam auf den Boden sinken und lehnte meinen Rücken an die unebenen Holzpfosten des Zaunes, direkt
Weitere Kostenlose Bücher