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Riskante Liebe

Riskante Liebe

Titel: Riskante Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cara Enders
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zusammen hatte sie oft versucht, Rehe oder Hirsche zu jagen. Aber sie waren zu laut und zu langsam und kamen deshalb nie nahe genug an ein Wildtier heran, um es mit ihren unhandlichen Speeren zu treffen. Seratta hatte von Pech und unglücklichen Umständen gesprochen und keine von uns wagte es, ihr zu widersprechen. Die einzige Jagd, die sie beherrschte, war die auf Menschen. Und bei dieser Jagd war von vornherein klar, wer gewinnen würde. Das gehetzte Wild hatte nicht die geringste Chance. Die Bedauernswerten, die bei Seratta in Ungnade fielen und gejagt wurden, waren allesamt sehr geschwächt, da sie sie vorher einsperrte und ihnen tagelang nichts zu essen gab. Sie erhielten lediglich Wasser, um nicht zu verdursten und sie und die Wächterinnen damit um ihr Vergnügen zu bringen.
    Das Allerletzte, was ich mir wünschte, war, ihre Nachfolge anzutreten. Mir war speiübel bei dem Gedanken, in ihrem Körper herangewachsen zu sein. Mühsam schüttelte ich meinen Kopf.
    »Ich bin nicht zum Befehlen und zum Führen eines Dorfes geeignet, Seratta. Ich kann essbare Tiere aufstöbern, verfolgen und töten. Darin bin ich gut. Lass mich weiterhin jagen und bestimme jemand anderen dazu, dir zu folgen.«
Sie war aufgesprungen. Ihre Augen verengten sich böse.
    »Schluss damit, Veeria. Du tust, was ich dir sage. Du kannst, so wie bisher, morgens zum Jagen gehen, aber den Rest der Zeit wirst du zusammen mit den anderen auf dem Dorfplatz und bei mir verbringen, damit du lernst, auf was es ankommt. Von mir aus trauere noch ein wenig, aber heute zum Abendessen erscheinst du am großen Feuer oder ich lasse dich gewaltsam dorthin schleifen .«
    Als sie gegangen war, breitete sich eine ungekannte Leere und Taubheit in meinen Gliedmaßen aus. Am liebsten wäre ich für immer, bis ich sterben durfte, einfach hier auf meinem Lager sitzen geblieben. Nicht genug damit, dass ich um Drake und Jolaria trauerte, jetzt sollte ich mich auch noch damit abfinden, Serattas leibliches Kind zu sein und mich ständig in ihrer unerträglichen Nähe aufhalten. Der Tod erschien mir auf einmal unendlich erstrebenswert und ich beneidete Jolaria, die keinen Schmerz, keine Krankheit und keinen Kummer mehr kannte.
    Seratta war erst kurze Zeit fort, da schlüpfte Zaria zu mir herein. Wehmütig dachte ich an meine Höhle im Wald, wo mich niemand stören konnte. Sollte ich doch weglaufen und versuchen, allein in der Wildnis zu überleben? Aber eigentlich war es egal, wo ich war. Meinen Kummer, meine Trauer und mein Entsetzen über Serattas Geheimnis würde mich überallhin begleiten. Davor konnte ich nicht flüchten.
Zaria hatte sich dicht neben mich gesetzt und drückte meine Hand.
    »Was hat Seratta dir erzählt? Du bist ganz weiß im Gesicht, Veeria.«
Ich riss meine Hand weg.
    »Lass mich einfach in Ruhe, Zaria. Warum meint hier jeder, einfach hereinkommen zu können, wie es ihm gerade in den Sinn kommt? Könnt ihr alle nicht begreifen, dass ich allein sein will?«
Ich wollte noch mehr sagen, aber Zaria unterbrach mich.
    »Egal, was sie gesagt hat, Veeria, es ist nicht wahr. Jolaria und ich haben viel miteinander gesprochen. Sie hat mir das Versprechen abgenommen, wenn sie tot ist und Seratta mit dir ein Gespräch führen sollte, das dich durcheinander bringt, dann soll ich dir von ihr etwas ausrichten.«
Jetzt hatte Zaria meine Aufmerksamkeit gewonnen.
    »Was sollst du mir ausrichten?«
    »Ich soll dir sagen, dass es genau umgekehrt war.«
Ich blickte sie verständnislos an.
    »Was ist umgekehrt?«
    »Das weiß ich nicht. Mehr hat sie nicht gesagt, nur diesen einen Satz. Überlege gründlich, dann wirst du wissen, was sie meint. Ich lasse dich nun in Ruhe und gehe zu Tarisa zurück.«
Angestrengt zerbrach ich mir den Kopf. Meine letzte Unterhaltung mit Jolaria kam mir in den Sinn. Auch da hatte sie gesagt, Seratta würde lügen. Aber unsere Anführerin hatte bei ihrer Enthüllung so überzeugt und stolz geklungen, dass ich nicht an eine Lüge glaubte. Und plötzlich schoss mir die Erkenntnis durch den Kopf: Umgekehrt bedeutete, dass nicht Serattas Kind, sondern das der anderen Frau überlebt hatte. Jolaria hatte die Säuglinge nicht vertauscht und ich war nicht Serattas Kind! Grenzenlose Erleichterung durchflutete mich. Wenigstens diese Bürde musste ich nicht länger tragen. Die letzte Unterhaltung, die ich mit Jolaria geführt hatte, kam mir in den Sinn und beseitigte allen Zweifel.
    Sie hatte erklärt, Seratta wisse manchmal nicht, was sie sage.

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